Auf Befehl des Königs
Bürsten.
"Ihr habt heute Morgen nichts gegessen und tagsüber ebenso nicht. Ich habe Edmee in die Küche geschickt. Sie bringt Euch Hühnerbrühe, die Eurem Magen besser bekommt als der schwere Fischeintopf."
Marguerite wunderte sich. Die Dame hatte ein scharfes Auge und schien sich um ihr Wohlergehen zu sorgen. Ihre eigene Mutter war bei ihrer Geburt gestorben, und bei den Aufmerksamkeiten, die sie im Haus ihres Vaters erhalten hatte, war es ausschließlich darum gegangen, sie auf ihre künftige Rolle vorzubereiten. Sie wandte sich zu Lady Constance um, wusste aber plötzlich nicht, was sie sagen sollte.
Ein bedrückendes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, bis Edmees Schritte und Stimme zu hören waren. Sie sprach mit jemandem auf dem Flur, und als das Mädchen eintrat, sah Marguerite, dass es sich um Orricks Diener handelte, der Edmee die Tür öffnete.
Das Kammermädchen stellte ein Tablett auf den Tisch, und Lady Constance winkte die Dienerin aus dem Zimmer, bevor Marguerite etwas sagen konnte. "Bitte esst, Marguerite, solange die Suppe heiß ist."
Da ihr Magen bei dem würzigen Essensgeruch vernehmlich zu knurren begann, konnte sie die Bitte nicht abschlagen. Gehorsam zog Marguerite sich einen Hocker heran, setzte sich und löffelte ihre Speise. Obwohl in der Suppe klein geschnittenes Fleisch, gewürfelte Karotten und Gerste schwammen, war sie längst nicht so dick und fett wie der Fischeintopf, den es zum Nachtmahl gegeben hatte. Orricks Mutter trat ans Fenster und blickte schweigend in die Ferne. Marguerite tauchte Brot in die Suppe und aß mit großem Appetit. Dazu trank sie ein wenig Bier und blickte zu Lady Constance hinüber, die kerzengerade am Fenster stand.
"Ich möchte mit Euch über den heutigen Vorfall sprechen."
"Lady Constance, ich bin müde, fühle mich nicht wohl und möchte allein sein. Ehrlich gestanden, will ich nicht darüber reden. Wenn Ihr das Gefühl habt, es muss sein, können wir unsere Unterhaltung nicht auf morgen verschieben?"
Marguerite hatte sich mittlerweile aufs Bett gesetzt, sehnte sich danach, sich unter einem Berg von Pelzen und Decken zu verkriechen und tagelang nicht mehr zum Vorschein zu kommen. Sie löste den Schleier aus ihrem Haar und wartete auf Antwort. Als sie endlich kam, war Marguerite höchst verblüfft.
"Es ist meine Schuld, dass die Männer abfällig über Euch hergezogen sind."
Die Blicke der beiden Frauen kreuzten sich, und Marguerite las Reue in den Augen der anderen.
"Als mein Sohn seine Verlobung mit Euch verkündete, habe ich voreilig vor anderen gesprochen. Hätte ich meine Meinung für mich behalten oder mit Orrick unter vier Augen geredet, hätte niemand etwas von Eurer Vergangenheit erfahren."
Marguerite spürte unvermutet ein Brennen in den Augen, ein Knoten schnürte ihr die Kehle zu. Noch nie hatte sich jemand bei ihr dafür entschuldigt, hinter ihrem Rücken üble Nachrede betrieben zu haben. Ihr waren viele Schmähungen zu Ohren gekommen – Hure des Königs, Schlampe aus Alençon und Schlimmeres –, aber kein Mensch hatte je zugegeben, Schlechtes über sie verbreitet zu haben. Nun hörte sie dieses Geständnis von einer stolzen Frau. Was sollte sie darauf entgegnen?
"Ich habe mit Orrick darüber gesprochen und auch meinen Damen erklärt, dass ich einen Fehler begangen habe. Wenn Ihr der Meinung seid, ich könne noch mehr tun, um weiteren Schaden abzuwenden, lasst es mich bitte wissen."
Marguerite war gerührt und schaute verlegen zu Boden. "Was hat Lord Orrick dazu gesagt?"
"Er hat mich wegen meiner weiblichen Schwäche, auf Klatsch zu hören, gerügt und mich gebeten, Euch um Verzeihung zu bitten." Lady Constance trat ein paar Schritte näher. "Er ist in Sorge, dass Ihr Euch die Schuld daran gebt, weil er gezwungen war, die Männer zu bestrafen."
Marguerite schüttelte verwirrt den Kopf. "Aber Orrick ist der Lord von Silloth, und niemand hat das Recht, Kritik an ihm zu üben. Es steht ihm frei, seine Leute zu züchtigen, wenn er es für richtig hält, ohne Ansehen der Person oder Ursache. Er ist … ein merkwürdiger Mann."
"Gewiss. Aber er hat eine andere Ausbildung genossen, als sie für einen Edelmann üblich ist. Sein Vater bestand darauf, dass der Abt des Klosters an seiner Erziehung genauso beteiligt war wie er und seine Ritter. Orrick ist ein besonnener, verantwortungsbewusster Mann, der nicht schnell die Beherrschung verliert, sich aber auch nicht darin beirren lässt, das zu tun, was er für nötig und richtig
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