Auf Befehl des Königs
unbenutzt. Wieso war er noch nicht zu Bett gegangen? Sie ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, ohne ein Zeichen seiner Anwesenheit zu entdecken. Da das Hämmern nicht aufhören wollte, ging sie zur Tür zum Flur, öffnete und blickte in die verblüfften Gesichter von Norwyn und dreier Gefolgsleute, die den Eindruck machten, als seien sie gerade erst von einem langen Ritt heimgekehrt. Die Enttäuschung, ihren Herrn nicht anzutreffen, stand ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben.
"Ist Lord Orrick nicht anwesend, Mylady?", fragte Norwyn und spähte neugierig über ihre Schulter. "Diese Männer wollen ihn dringend sprechen."
"Er ist nicht hier, Norwyn", sagte sie, und da er ihr nicht zu glauben schien, trat sie ganz zur Seite. "Ich weiß nicht, wo er sein könnte."
Die Boten schauten sich verdutzt an. Orrick hatte offenbar nicht einmal den Burgvogt über seinen Verbleib unterrichtet. Die Gefolgsleute verneigten sich und machten sich auf den Rückzug, als Lady Constance am Ende des Ganges auftauchte. Norwyn eilte ihr entgegen und wechselte einige leise Worte mit ihr.
Ardys.
Im Dorf.
Marguerite verstand ein paar Wortfetzen, die offenbar nicht für ihre Ohren bestimmt waren. Wer war Ardys? Wo mochte Orrick sein? War er mit dem Schotten zusammen?
Marguerite schalt sich im Stillen ihrer Besorgnis. Wie Orrick seine Nächte verbrachte, ging sie nichts an. Sie hatte alles daran gesetzt, sich von allen fern zu halten, die sich darum bemühten, dass sie sich auf Silloth heimisch fühlte. Es wäre falsch, sich jetzt einzumischen.
"Lady Constance, gibt es Probleme?", fragte sie wider ihr besseres Wissen, als das Flüstern nicht aufhören wollte.
"Nein, Marguerite. Die Soldaten hatten lediglich den Auftrag, sich gleich nach ihrer Rückkehr bei meinem Sohn zu melden. Das war der Grund für die nächtliche Störung."
"Niemand weiß, wo Lord Orrick sich aufhält?", hakte Marguerite nach.
"Hier bin ich", antwortete Orrick, der die Stufen hinter der kleinen Gruppe heraufeilte.
Marguerite sah zu ihrem Erstaunen, welche Veränderung in Orrick beim Anblick der drei Reiter vorging. Seine Haltung und Miene drückten erwartungsvolle Spannung aus, während er die Ankömmlinge musterte und ihnen mit Blicken Schweigen auferlegte. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
"Mylord? Ist etwas vorgefallen?"
Er gebot den Männern mit einem Wink, sich zu entfernen, ehe er sich Marguerite zuwandte. Orrick wirkte irgendwie beunruhigt, ein Wesenszug, den sie noch nicht an ihm kannte. "Verzeiht die nächtliche Ruhestörung, Mylady. Ich bespreche mich mit meinen Gesandten in der Halle."
Damit war sie entlassen. Seine knappe Entschuldigung konnte Marguerite nicht beruhigen. Nun flüsterte er seiner Mutter etwas zu, die, offensichtlich befremdet, nickte und sich wieder in ihre Gemächer begab. Dann stand Marguerite ihrem Gemahl allein gegenüber.
Das Schweigen zwischen ihnen zog sich bedrückend in die Länge. Etwas in seinen Augen, in seiner Haltung drückte Gefahr aus. Sie wusste nur nicht, ob sie von ihm ausging oder ihn betraf. Er hatte ihre Frage nicht beantwortet. "Ist alles in Ordnung, Orrick?"
Im flackernden Schein der Fackel im Eisenhalter an der Wand glaubte sie ein unmerkliches Kopfschütteln zu erkennen, doch dann bejahte er. Wortlos machte er auf dem Absatz kehrt und ging. Seine Schritte hallten durch den leeren, dunklen Flur.
Marguerite eilte in ihr Zimmer, warf den Hausmantel ans Fußende des Bettes und kroch wieder unter die Decke. Nach diesem merkwürdigen Vorfall würde sie in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden. Sie lag auf dem Rücken, starrte ins dunkle Gebälk, horchte auf die Geräusche der Nacht und dachte an Orricks seltsames Benehmen. Als das erste Morgengrauen durchs Fenster kroch, lag sie immer noch wach und kam sich vor wie eine Verbrecherin, über die das Todesurteil gesprochen worden war.
Orrick folgte seinen Soldaten durch die Halle in den kleinen Nebenraum, der Norwyn als Schreibstube diente. Er entließ den Burgvogt, ohne auf seine Verblüffung zu achten, setzte sich an den Tisch und wies die Männer an, es sich gleichfalls bequem zu machen. Die ernsten Gesichter seiner Soldaten steigerten sein mulmiges Gefühl in der Magengrube. Dies schien kein gutes Zeichen zu sein für seine Pläne, Marguerite zur Einsicht zu bringen und in ihr den Wunsch zu wecken, in Silloth bleiben zu wollen.
"Mylord, wir hätten Euch nicht gestört, wenn die Angelegenheit nicht wichtig wäre", begann Philippe.
"War eure
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