Auf Befehl des Königs
wahrgenommen, die sie durch dieses Leben genossen hatte. Eine Schar von Bediensteten, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablasen, Truhen, gefüllt mit kostbaren Kleidern, die respektvolle Unterwürfigkeit der Höflinge, mochte sie auch geheuchelt gewesen sein, all das hatte ihr geschmeichelt und ihr ein Gefühl der Unverwundbarkeit gegeben. Das Traurigste daran aber war ihr Selbstbetrug, mit dem sie dieses Dasein als selbstverständlich betrachtet hatte.
Das mittlerweile trockene Haar peitschte ihr ins Antlitz, als Marguerite sich einem großen Felsbrocken näherte, auf dem sie sich ausruhen wollte. Sie ließ sich auf dem glatten warmen Stein nieder, hielt das Gesicht zur Sonne, schloss die Augen und dachte darüber nach, wann sie ihren ersten Fehler begangen hatte.
Als Achtjährige hatte ihr Vater ihr zum ersten Mal von seiner Idee erzählt, eine Königin aus ihr zu machen. Bis zu diesem Tag hatten ihre Lehrer und Erzieherinnen sie für ihre Begabungen und ihren Eifer gelobt, Lesen, Schreiben und Fremdsprachen zu lernen. Plötzlich allerdings war nichts mehr gut genug, mochte sie sich noch so sehr bemühen. Sie wurde auf ein Landgut ihres Vaters im südlich gelegenen Anjou verbannt, wo sie völlig isoliert von Familie und Gleichaltrigen auf ihre hohe Bestimmung vorbereitet wurde. Sie durfte keinen Schritt ohne Aufsicht unternehmen, alles, was sie sagte oder tat, wurde kritisiert und verbessert, bis aus ihr die vornehme untadelige Dame geworden war, die genau den Vorstellungen ihres Vaters entsprach.
Zunächst wurde ihre über alles geliebte Kinderfrau fortgeschickt, da sie zu nachsichtig mit dem kleinen Mädchen umging, und durch Berthilde ersetzt, eine strenge ältere, unverheiratete Adelige, die ihre Erziehung übernahm. Berthilde lächelte nie und sparte nicht mit Strafen und körperlicher Züchtigung. Jeder kindliche Widerspruch wurde Marguerite mit Schlägen, Essensentzug und anderen harten Sanktionen ausgetrieben. Es dauerte nicht lange, bis ihr Wille gebrochen war und sie fügsam alles befolgte, was Berthilde und ihr Vater von ihr verlangten.
Die Ironie an dieser traurigen Geschichte lag darin, dass Marguerite ihrem Vater mit Freuden jeden Wunsch erfüllt hätte, wenn er ihr nur einen Funken Zuneigung geschenkt hätte. Stattdessen wurde ihr ständig vorgehalten, welche Dankbarkeit sie ihm schuldete, weil er sich seiner wertlosen, unehelich geborenen Tochter annahm, keine Kosten und Mühen scheute, aus ihr eine Dame zu machen, die eines Tages Königin sein würde. Irgendwann glaubte sie ihm, übernahm seine Ansichten; seine Träume waren die ihren geworden.
In seinen ehrgeizigen Zielen ließ ihr Vater nichts unbeachtet. Er sorgte sogar dafür, dass Marguerite als junges Mädchen darin unterwiesen wurde, adeligen Herren im Bett Vergnügen zu bereiten, ohne dabei ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Comte Ranulf d'Alençon überließ nichts dem Zufall in seiner Strategie, dem Herrscher den perfekten Ersatz für Königin Eleonore zu liefern.
Marguerites Ausbildung dauerte acht Jahre, in denen sie auf ihre Rolle vorbereitet wurde. Ihr Vater hatte ihr klar zu verstehen gegeben, dass er ein Misslingen seines Planes nicht dulden würde. Er hatte alle Voraussetzungen geschaffen, um zu garantieren, dass sie seine Erwartungen erfüllte. Als sie schließlich an den Hof geholt wurde, um Henry vorgestellt zu werden, entsprach sie genau dem Bild der Frau, an dem ihr Vater viele Jahre gearbeitet hatte. Sie war gebildet, vornehm, kultiviert, schön, skrupellos und fest entschlossen, die Position zu erreichen, die ihr zustand, als Dank für die unverbrüchliche Treue ihres Vaters zum König aus dem Hause Plantagenet.
Wo und wann hatte sie Schuld auf sich geladen? Hätte sie als Kind die hochfliegenden Ideen ihres Vaters durchkreuzen können? Welcher Mensch würde zu einem König Nein sagen?
Marguerite drehte sich etwas mehr der Sonne zu, die am Himmel weitergewandert war. Sie bändigte ihr wehendes Haar, indem sie es zu einem lockeren Knoten schlang, den sie unter Haube und Schleier steckte. Weit hinten erspähte sie den Soldaten, der sie immer noch fürsorglich bewachte. Sie legte sich auf den glatten Felsen, blickte in den blauen Himmel und dachte wieder darüber nach, was sie in ihrem Leben falsch gemacht hatte.
Bald nach ihrer Ankunft am Königshof hatte Ranulf seine Tochter gelegentlich flüchtig dem Monarchen gezeigt. Sie war der Köder und Henry die Beute. Ihr Vater sorgte dafür, dass sie sich stets von ihrer
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