Auf Befehl des Königs
vorteilhaftesten Seite zeigte – der Schmelz ihrer liebreizenden Stimme wurde Seiner Exzellenz zu Gehör gebracht, ihre Kunst des Vorlesens aus dem Buch der Psalter, ihr Liedervortrag, zu dem sie sich selbst auf der Lyra begleitete, sogar ihre Tanzkunst wurde dem König und seinem Hofstaat vorgeführt. Ritter und Adelige aus allen Provinzen des großen Plantagenet-Reiches hielten um die Hand der schönen Marguerite an, schwärmten von ihrem Kunstsinn und ihrer Anmut. Der Herrscher und Herzog Ranulf aber trafen andere Vereinbarungen und sicherten den Besitzanspruch Seiner Majestät an der bezaubernden Marguerite.
Henry nahm sie in Besitz, denn sobald er sie in seinem Bett hatte, war er besessen von ihr und wollte nicht mehr von ihr lassen. Er nahm sie auf alle Reisen mit, die ihn durch den europäischen Kontinent führten. Der König war ein heißblütiger Mann, der dem Liebesspiel nie überdrüssig wurde und wenig Schlaf brauchte. Ihre gemeinsamen Nächte dauerten meist bis zum Morgengrauen und endeten erst, wenn Marguerite in einen tiefen Erschöpfungsschlaf sank nach den Anstrengungen, den lüsternen Hunger des Königs zu stillen.
Marguerite verlagerte ihr Gewicht auf dem harten Felsen. Wenn sie ehrlich war, hatte sie diese Nächte genossen, in denen er ihr ganz allein gehörte und sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuneigung spürte.
War das alles eine Täuschung gewesen? War es ihr Fehler – zu denken, dass das, was er ihr schenkte, Liebe sei? Zu glauben, dass Henry überhaupt einem Menschen gehören könnte?
Nein, daran lag es nicht, überlegte sie schläfrig. Ihr Vergehen hatte darin gelegen, sich nach mehr zu sehnen, als er bereit war, ihr zu geben. Sobald sie sich Henrys Gunst gewiss war, fühlte sie sich vor ihrem Vater sicher. Ihr sprühendes Temperament, das ihr schon als Kind ausgetrieben worden war, brach sich wieder in unerwarteten Jähzornsanfällen Bahn. Ihr Verlangen nach Henrys Fürsorge und Begehren wuchs und damit ihre Eifersucht. Sie fühlte sich der wachsenden Spannung bei Hofe nicht mehr gewachsen und überschritt ihre Grenzen.
Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, Henry würde nicht alles daransetzen, ihr gemeinsames Kind durch eine Eheschließung zu legalisieren. Sie war fest davon überzeugt, alles würde sich für sie zum Guten wenden, sobald sie ihm von dem Baby berichtete, das sie von ihm erwartete. Nie im Traum hätte sie daran gedacht, dass ihre Beziehung zum König auf falschen Voraussetzungen, auf einem Trugschluss ihrerseits beruhte.
Nun hatte sie alles verloren – ihre Position bei Hofe, ihre Macht und ihren Einfluss; und schlimmer noch, sie hatte ihre Tochter im Stich gelassen, wegen eines Mannes, der sie verraten hatte. Sie hatte ihr Kind aufgegeben in der Hoffnung, an den Hof und an Henrys Seite zurückzukehren, und war stattdessen verstoßen worden. Bei all ihrer Klugheit und Bildung war sie eine törichte Frau.
Das war ihr letzter Gedanke, bevor der Schlaf sie in der warmen Sonne übermannte.
"Wohin ist sie gegangen?", fragte Orrick seinen Freund Gavin, der ihm berichtet hatte, dass Marguerite die Burgmauern verlassen hatte, während er sich in der Werkstatt des Schmieds aufgehalten hatte. "Niemand ist auf den Gedanken gekommen, sie daran zu hindern?"
"Die Wachen folgen ihr. Sie ist nicht in Gefahr."
"Solange sie sich auf meinem Land aufhält, darf ihr nichts geschehen." Orrick verließ die Schmiede und ging mit langen Schritten zu seinem Pferd, Gavin folgte ihm auf den Fersen. "Welche Richtung hat sie eingeschlagen?"
"Die Wachen folgen ihr ständig in Sichtweite. Beruhige dich, Mann."
"Verdammt, Gavin, wo ist sie hingegangen?"
"Nach Süden. Sie ist zum Strand hinuntergelaufen und dann nach Süden."
Orrick schwang sich in den Sattel und gab seinem Ross die Sporen. Den steilen Serpentinenpfad hinunter musste er sich in Geduld üben, doch dann jagte er im vollen Galopp den Uferstreifen entlang. Marguerite hatte die Burgmauern noch nie ohne Begleitung verlassen. Warum ausgerechnet heute? Was hatte sie vor?
Es schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, bis er den Posten erspähte, der zwischen der Brandung und den aufragenden Klippen stand. Als er an ihm vorbeipreschte, wies der Soldat mit dem Arm zu einem Felsbrocken in die Ferne, wo Orrick bald die ruhende Gestalt seiner Gemahlin erspähte.
Sie bewegte sich nicht. War ihr etwas zugestoßen? Aber sie hätte doch um Hilfe gerufen, wenn sie etwas gebraucht hätte. Bei ihr angekommen, zügelte er sein Pferd
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