Auf Befehl des Königs
Mein Vater zwang mich, seinen Machthunger zu leben; er redete mir jahrelang ein, sein Traum sei auch der meine, bis ich ihm glaubte und seine Ziele zu den meinen machte. Ich hatte keinen freien Willen mehr."
Marguerite folgte Orrick und blickte ihm unverwandt in seine verhärteten Gesichtszüge. "Trotzdem mich Henry verstoßen, obwohl er meine Schwester in sein Bett geholt, obgleich er mir alles genommen und weggeworfen hatte, was ich ihm geben konnte, war ich einen Augenblick von Genugtuung erfüllt. Aber ich will nicht zu ihm zurück, Orrick. Ich will weder seine Geschenke noch seine Berührungen. Es war nur ein flüchtiger Augenblick der Schwäche, in dem ich mich hinreißen ließ, ein kurzer Moment, in dem ich vergaß, was zwischen dir und mir ist."
Sie sah, wie er einen inneren Kampf ausfocht, ob er ihr glauben sollte oder nicht. "Begleite mich. Lass uns gemeinsam vor den König treten. Vertraue mir."
Orrick sah sie nun an mit einem Blick voll Sehnsucht und Flehen, der sie bis ins Herz traf. "Bleib hier, Marguerite. Du kannst auf mich bauen, ich regle die Angelegenheit, so wie es sein muss."
"Aber du kennst den König nicht, Orrick. Ich habe viele Jahre an seinem Hof gelebt und war Zeuge, wie er mächtigere Männer als dich aus einer Laune heraus vernichtete, weil sie sich ihm widersetzten. Ich habe Vertrauen zu dir, Orrick, aber in dieser Angelegenheit musst du dich auf mich verlassen."
Sie wartete bang und wusste, dies war der wichtigste Augenblick zwischen ihnen, brisanter als das Geständnis ihrer Liebe. Orrick wandte ihr den Rücken zu und sagte ihr mit dieser abweisenden Geste mehr als mit Worten. Beklommen beobachtete Marguerite, wie er an den Kamin trat, den Ellbogen gegen den Sims lehnte und ins Feuer starrte.
"Würdest du mich aufrichtig lieben, hättest du mir längst gestanden, was dich so eng an Henry bindet."
"Ich weiß nicht, was du meinst. Er hat mir meine Unschuld genommen, Orrick, doch das hat längst keine Bedeutung mehr."
"Ich spreche von deiner Tochter", sagte er leise. "Du hast ihm ein Kind geschenkt. Daran ist nichts zu ändern."
Marguerite taumelte nach hinten und sank auf das Bett. Er war über alles informiert. "Du weißt davon?"
Er weigerte sich, sie anzusehen. "Seit Wochen bin ich darüber im Bilde und habe darauf gewartet, wann du mir genügend Zuneigung entgegenbringst, mir endlich vertraust und mir dein letztes Geheimnis preisgibst. Ich kann nicht mit dem König konkurrieren, im Hinblick auf die Macht und die Reichtümer, welche er dir übertragen hat, ich kann nicht mit dem Mann wetteifern, der dich als Erster besessen hat, deinen Körper und dein Herz, der dir ein Kind geschenkt hat."
"Hast du den Eindruck, dies ist ein Wettstreit? Um meine Person?"
"Etwas anderes ist es doch nicht", erwiderte er. "Wenn du morgen seinem Ruf folgst, hat Henry gewonnen."
Sie verschränkte die Hände im Schoß und erkannte, dass es nur einen Weg gab, um ihn zu überzeugen, sie musste ihm gestehen, woran sie lange Zeit nicht einmal gewagt hatte zu denken. Würde sie ihn in ihrem Bemühen, ihm die Zusammenhänge begreiflich zu machen, verlieren?
"Ich war unfähig, dir all meine Sünden zu beichten, Orrick. Ich sah in meinem Zusammensein mit dem Herrscher nicht einmal etwas Sündiges, da ich ausschließlich dazu erzogen worden bin, dieses Ziel zu erreichen. Aber du hast mich so viel gelehrt. Ich habe die Verachtung der Höflinge in Henrys Umgebung ertragen, auch die Verhöhnung deiner Leute, aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, wie sehr du mich ablehnen würdest, wenn du alles über mich weißt."
"Marguerite, das Kind zur Welt zu bringen war doch nicht deine Schuld. Warum denkst du, ich könnte dich deswegen hassen?"
"Es geht weniger um Schuld, Orrick. Es geht darum, mich meinen Verfehlungen und meinen Ängste zu stellen. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil ich nicht dazu fähig war. Hätte ich dir von meinem Kind berichtet, hätte ich dir auch gestehen müssen, wie sehr ich mir gewünscht habe, dass … meine kleine Tochter nicht überlebt."
"Dass sie stirbt?" Orrick erbleichte.
"Ich war maßlos egoistisch, Orrick, ich war schlecht und gemein. Als sich herausstellte, dass ich ihm keinen Sohn geboren hatte, wollte ich nichts lieber, als zum König zurückzukehren – ohne die Last einer unehelichen Tochter. Ich hoffte, das Kind stirbt, und als es überlebte, machte ich mich erneut einer Sünde schuldig. Ich habe sie im Stich gelassen und mich geweigert, auch nur an sie zu
Weitere Kostenlose Bücher