Auf Bewährung
Roy.
»Ich denke, dass ich Jura hätte studieren sollen«, knurrte sie.
Während Roy Dianes Büro durchsuchte, kümmerte Mace sich methodisch um das Schlafzimmer, die Gästezimmer, die Bäder und die Garage. Schließlich kam sie in die Küche. Dort gab es einen kleinen Ziegelkamin mit einem Sims aus Holz, der bis in das edel ausgestattete Esszimmer reichte, dessen Mittelpunkt ein zehn Fuß langer Tisch bildete. Aus den großen Fenstern konnte man auf den Potomac sehen.
Mace durchsuchte die Schränke, den Kühlschrank, den Herd und die Spülmaschine. Sie öffnete Krüge und Kochbücher und grub in Blumentöpfen für den Fall, dass Diane Tolliver dort etwas vergraben hatte. Anschließend wühlte sie im Müll, und der war offensichtlich nicht von den Cops durchsucht worden. Roy gesellte sich zu ihr, als sie noch immer auf einem Stuhl saß und in der Mülltonne kramte.
»Und? Schon irgendwelche geheimen Schriftzeichen auf einer alten Bananenschale gefunden?«
»Nein, aber ich habe eine leere Fleischpackung, Gemüsereste und ein verschimmeltes Stück Brot gefunden. Dazu noch eine leere Flasche Rotwein.«
»Das war also Dianes letztes Mahl.«
»Irgendwann werden wir alle unsere letzte Mahlzeit essen.«
Mace stand auf und wusch sich die Hände. »Und hast du was Verdächtiges in ihren Akten gefunden?«
»Nicht wirklich.«
Mace begann auf und ab zu laufen und leuchtete Wände, Decke und Boden ab. »Siehst du all die blanken Flächen?«
»Da haben sie Fingerabdrücke genommen, stimmt’s?«
»Stimmt.«
Sie erreichte die Wand am anderen Ende des Raums, machte kehrt und ging wieder zurück. Als ihr Licht zur Decke wanderte, blieb sie stehen. »Roy, hol mir mal einen Stuhl.«
Roy brachte ihr einen. Mace stellte sich auf den Zehenspitzen darauf und leuchtete den Rauchmelder an der Decke ab. Dann gab sie Roy die Taschenlampe. »Komm hier rauf, und sag mir, was du siehst.«
Roy kletterte auf den Stuhl. »Kratzer in der Farbe und etwas, das wir Dreckflecken aussieht.«
»Irgendjemand hat den Rauchmelder bewegt.«
»Das passiert schon mal beim Wechseln der Batterien.«
»Und was ist damit?«
Roy stieg wieder vom Stuhl herunter und richtete das Licht auf die Stelle, auf die Mace deutete. Er kniete sich auf den Teppich und schaute genauer hin. »Abgeblätterte Farbe?«
»Man sollte doch glauben, dass sie das weggesaugt hätte. Es sei denn natürlich, es ist nach ihrem Tod passiert. Lass mich mal den Rauchmelder sehen.«
Roy stieg erneut auf den Stuhl, montierte den Rauchmelder ab und gab ihn Mace.
Sie drehte ihn herum. »Rauchmelder sind sehr beliebt, wenn man Überwachungskameras verstecken will.«
»Kameras? Um Diane zu überwachen?«
»Sie haben ihren Computer angezapft. Warum dann nicht auch ihr Haus?«
»Und warum hat die Polizei das nicht gefunden?«
»Vermutlich haben sie die Kamera entfernt, bevor die Cops das Haus durchsucht haben. Ich denke, du solltest dich morgen noch mal in der Kanzlei umsehen.«
»Glaubst du wirklich, dass der Mord etwas mit Shilling & Murdoch zu tun hat?« Roy klang nicht überzeugt.
»Milliardengeschäfte? Firmen aus dem Nahen Osten? Äh ... ja!«
»Das ist eigentlich ziemlich langweiliger Kram. Geschäfte halt.«
»Des einen Mannes Geschäft ist des anderen Mannes Untergang.«
»Was zum Teufel soll das denn heißen?«
»Tu mir einfach den Gefallen, und schau dich um. Und jetzt komm. Ich fahre dich zu deiner Wohnung.«
Draußen stiegen sie wieder auf die Ducati. Doch bevor Mace den Motor startete, drehte sie sich noch einmal zu Roy um. »Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du bei dem HORSE-Match absichtlich verloren hast.«
»Warum glaubst du wohl?«, erwiderte Roy leise.
Mace musste feststellen, dass sie ihm nicht in die Augen schauen konnte. Langsam drehte sie sich wieder um, startete den Motor, und sie fuhren los.
Kapitel 72
H ey, Ned.« Roy ging durch die Lobby und zu den Büroaufzügen. Er hatte die Nacht über fast nicht geschlafen, sondern ständig auf irgendwelche Killer gelauscht, die es auf ihn abgesehen hatten. Er war mit dem Bus zur Arbeit gefahren und wollte mit dem Marquis wieder nach Hause. Ned saß hinter seinem Marmortresen. Er sah aufgeregt aus.
»Mr. Kingman, haben Sie von dem Feuer letzte Nacht gehört?«
Roy tat sein Bestes, um überrascht zu wirken. »Ein Feuer? Wo?«
»Nun, eigentlich gab es gar kein Feuer. Irgendjemand hat nur den Alarm ausgelöst. Das ist ein Verbrechen!«
»Ja, ich weiß. Wer könnte so etwas getan haben?«,
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