Auf Bewährung
Hände und legte sie auf den Tisch. Roy war nicht länger gefesselt, und man hatte ihm auch den Knebel und die Augenbinde abgenommen. Diesen Leuten war es egal, ob er einen von ihnen identifizieren konnte. Offenbar erwarteten sie nicht, ihn irgendwann im Zeugenstand zu sehen.
»Wer sind Sie? Und was wollen Sie von mir?«
»Sie schauen zu viel fern«, sagte Bard und lächelte amüsiert.
»Und was genau soll ich fragen?«
»Wollen Sie das hier überleben?«, erwiderte Bard schlicht.
»Ja. Aber warum glaube ich nur, dass das sehr unwahrscheinlich ist?«
»Es ist wirklich sehr unwahrscheinlich«, räumte Bard ein, »aber nicht unmöglich. Und in Ihrer Lage müssen Sie nach dem Unmöglichen streben.«
»Wie das hier?« Roy sprang über den Tisch und versuchte, Bard zu packen. Er wog mindestens hundert Pfund mehr als sie und war fast einen Fuß größer. Als er wieder aufwachte, lag er auf dem kalten Boden. Seine rechte Schulter fühlte sich an, als wäre sie ausgekugelt. Langsam setzte er sich auf und hielt sich den verletzten Arm.
Mary Bard saß wieder am Tisch und beobachtete ihn mit teilnahmslosem Blick. »Haben Sie jetzt genug John Wayne gespielt?«
John Wayne? Entweder schaut sie nicht genügend aktuelles Fernsehen, oder sie stammt nicht aus Amerika und kennt nur jahrzehntealte Filme.
»Wie haben Sie das gemacht?«, fragte Roy und verzog vor Schmerz das Gesicht.
»Das könnte ich Ihnen erklären, aber Sie würden es nicht verstehen. Was wäre also der Sinn davon?«
Roy rappelte sich wieder auf, ließ sich auf den Stuhl fallen und hielt sich die linke Schulter. »Ich glaube, sie ist ausgekugelt«, sagte er. Ihm war kotzübel.
»Ja, das ist sie. Soll ich sie wieder einrenken?«
»Wie wäre es stattdessen mit etwas Morphium?«
»Nein, Sie müssen sich voll und ganz auf das konzentrieren, was kommt.«
Bard ging um den Tisch herum und stellte sich neben ihn. »Drehen Sie sich zu mir um.«
»Ich schwöre, wenn das ein Trick ist, dann werde ich, Ninjabraut hin oder her ...«
Bard bewegte sich so schnell, dass Roy keine Zeit hatte zu reagieren. Er hörte ein Plopp und spürte kurz einen Übelkeit erregenden Schmerz; dann war seine Schulter wieder eingerenkt.
Bard setzte sich wieder, während Roy vorsichtig den Arm bewegte. »Danke.«
»Gern geschehen«, sagte sie und starrte ihn weiter an.
»Sie sind keine Amerikanerin, stimmt’s?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ist das von Bedeutung?«
»Okay, ich bin konzentriert. Was wollen Sie?«
»Wir wollen, dass Sie Mace Perry eine SMS schicken. Wir wollen uns auch mit ihr treffen.«
Roy lehnte sich zurück. »Das glaube ich nicht. Sie haben mich; sie werden sie nicht auch noch bekommen.«
»Mr. Kingman, das sollten Sie wirklich noch mal überdenken.«
»Okay, das werde ich. Sie wollen, dass ich Mace eine SMS schicke. Dass ich sie bitte, mich an irgendeinem abgelegenen Ort zu treffen, damit Sie sie schnappen und umbringen können, ohne dass jemand davon erfährt. Und dann werden Sie auch mich töten. Ich denke darüber nach, ich denke ...« Er hielt kurz inne. »Fahren Sie zur Hölle, Lady.«
»Wir können ihr natürlich auch eine SMS mit Ihrem Handy schicken.«
»Warum fragen Sie mich dann überhaupt?«
»Das war natürlich ein Test.«
»Und? Habe ich bestanden?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Und wo stehen wir jetzt? Wenn Sie mich sie anrufen lassen, dann werde ich sie warnen, dass das eine Falle ist. Und da ich ihr noch nie eine SMS geschickt habe, wird sie sofort misstrauisch werden, wenn ich das doch tue. Sie ist von Natur aus paranoid. Und sie wird mich anrufen. Und wenn ich nicht rangehe ...«
»Ja, das haben wir uns auch gedacht.«
»Ich habe es herausgefunden, wissen Sie? Das mit dem Geld. Das Rucksackverfahren. Ist das für Terroristen? Ist es das, was Sie sind? Sie sehen zwar nicht arabisch aus, aber sind Sie eine von bin Ladens Bräuten?«
»Ich bin niemandes Braut«, erwiderte Bard mit leicht erhobener Stimme.
»Okay, aber vielleicht sollten Sie mal über Folgendes nachdenken: Mace weiß nichts von dem, was ich herausgefunden habe, und auch sonst niemand. Ich hatte keine Gelegenheit, jemandem was zu erzählen.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Sie brauchen Mace nicht. Sie haben mich. Wenn Sie mich umbringen, ist es vorbei.«
»Das wage ich zu bezweifeln.«
»Was meinen Sie damit?«
»In meinem Briefing bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Mace Perry vor nichts Halt machen wird, wenn sie glaubt, dass Sie in Gefahr
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