Auf Bewährung
Schuldenübernahme gegangen. Das hatte sich Roy aus der entsprechenden Anweisung bei Shilling & Murdoch herausgeschrieben. DLT hatte all diese Anweisungen, die stets per Kurier übermittelt wurden, eingescannt. Aber die Anweisung von Shilling & Murdoch, die Roy nun sah, ging über siebenhundertfünfund neunzig Millionen Dollar. Das war eine Diskrepanz von zwanzig Millionen. In ihrer Gehaltsstufe war Cassie das schlicht nicht aufgefallen. Sie war nur Befehlsempfängerin. Und wenn die Zahlen mit dem Brief von Shilling & Murdoch übereinstimmten, wurde auch kein Alarm ausgelöst. Und in diesem Fall hatten sie offenbar gepasst.
Roy lehnte sich zurück. Warum sollte sein Mandant in den Vereinigten Arabischen Emiraten zusätzliches Geld geschickt haben? Kein Käufer zahlte freiwillig mehr, als vertraglich vereinbart war. Aber stammte das zusätzliche Geld überhaupt von dem Mandanten? Roy drückte ein paar Tasten und schaute sich die Überweisungsbelege einiger Deals an. Überweisungen aus Übersee wurden ein wenig anders gehandhabt als inneramerikanische Überweisungen, besonders nach dem 11. September. Roy wusste, dass es eine Liste von sensiblen Staaten gab, die die amerikanischen Behörden besonders scharf im Auge behielten. Dabei ging es um Mittel, die in die Vereinigten Staaten transferiert wurden, um hier potenzielle Terroranschläge zu finanzieren.
Alle Überweisungen, egal ob in- oder ausländisch, gingen irgendwann durch das System der Bundesbank und wurden unterschiedlich intensiv durchleuchtet. Aber trotz aller Sicherheitsmaßnahmen war das System für Missbrauch anfällig. Roy schaute auf das Datum der Anweisung auf dem Schirm und verglich es dann mit den Notizen, die er sich von seinen Akten gemacht hatte. Er wusste, dass Anweisungsbriefe ständig den Umständen angepasst wurden. Aber in diesem Fall waren die Umstände gleichgeblieben. Roys Datum war das der absolut letzten Anweisung. Trotzdem hatte irgendjemand sie später noch mal verändert und dabei zwanzig Millionen hinzugefügt.
Roy erinnerte sich an die Reihe von zusätzlichen Zahlen, die er in den Daten gesehen hatte, als er und Mace beim Essen in Altmans Gästehaus die gestohlenen Flashdrives durchgegangen waren. Er gab den Namen des entsprechenden Mandanten ein und schaute sich die Anweisungen zu dem Deal an. Roy wusste, dass die Kaufsumme für die Fertigungsanlagen neunhundertneunzig Millionen betragen hatte, doch auch hier waren fünfundzwanzig Millionen Dollar hinzugefügt worden, und die bei DLT gespeicherte Anweisung war jüngeren Datums als die von Roy. Und auf einer Überweisungsquittung stand, dass neunhundertneunzig Millionen an die Bank des Verkäufers in New York gegangen waren. Aber wohin war das restliche Geld gegangen? Und wer hatte es geschickt? Erneut glaubte Roy nicht, dass sein Mandant einfach so fünfundzwanzig Millionen Dollar Trinkgeld gegeben hatte.
Die Antwort traf Roy wie ein Schlag, und er setzte sich gerade auf.
Das ist ein klassisches Rucksackverfahren.
Man öffnet einen legitimen Tunnel in ein Land im Nahen Osten, das nicht auf der sensiblen Liste steht. Der Kaufpreis geht raus, allerdings zusammen mit einer zusätzlichen Summe aus einer anderen Quelle. So wäscht man die illegalen Dollar mit den legalen, wenn sie durch die Pipeline fließen. Die echte Summe geht dann dorthin, wo sie hingehen soll, und der Rest wandert irgendwo anders hin. Und wenn die Zahlen im Computersystem des Treuhänders stimmten, würde auch niemand etwas merken. Und was mit dem Geld im Empfängerland geschah, war genauso unmöglich nachzuvollziehen wie den Absender festzustellen. Dafür flog schlicht zu viel elektronisches Geld auf der Welt herum.
Roy wusste, was das war. Das war ein Weg um das Heimatschutzgesetz zu umgehen, das genau solche Transfers eigentlich verhindern sollte. Die Sonderzahlungen konnten von Gott weiß wo stammen, auch aus den Vereinigten Staaten.
Das könnten Drogenhändler sein, die ihr Geld waschen wollen ... oder Terroristen ... oder Spione ...
Und sie könnten auch jemanden bei DLT haben ...
Plötzlich kam Roy ein Gedanke. DLT befolgte nur Anweisungen. Daher war es wesentlich wahrscheinlicher, dass wer auch immer dahintersteckte jemanden bei Shilling & Murdoch in der Tasche hatte. Er schaute sich noch einmal die überarbeitete Anweisung an. Sie trug Dianes elektronische Signatur. Aber die konnte man leicht bekommen, besonders jemand im Management der Kanzlei.
Chester Ackerman, der größte Regenmacher der
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