Auf Couchtour
schmutzige Gedanken bestraft.«
»Du hast recht.«
»Außerdem, vielleicht würde Bernd sein Wochenende als Strohwitwer im Puff abfeiern. Denkbar ist das. Stille Wasser sind tief.«
»Schwachsinn. Doch nicht Bernd!«
»Das Gleiche würde er über dich sagen …«
»Und die Kinder?«
»Parkt er bei seinen Eltern.«
»Jetzt hör aber auf, Rita!«
»War nur ein Witz. Ich wollte dir dein Gewissen ein bisschen erleichtern.« Charline braucht einen Moment, um meine Scherze zu verdauen. Es fällt ihr leichter mit einem Glas Sekt, ich schenke ihr schnell nach. Sie beruhigt sich gleich wieder. Sie kennt mich ja.
»Mein Urlaub für Freitag ging auch klar. Komisch, normalerweise sind solche spontanen Aktionen immer ein Problem.«
»Du bist eben entbehrlich«, holt sie zum Konterschlag aus. Jetzt sind wir quitt.
»Ja, ja. Übrigens, weil unsere Englischkenntnisse unter aller Kanone sind, habe ich Verständigungsprobleme ausgeschlossen. London ist an unserem Wochenende deutschsprachig. Das ist einfacher so. Ohnehin hatte ich noch nie einen fremdsprachigen Traum, du?«
»Nö.«
»Siehste! Ich habe überlegt, nachträglich ein paar Missverständnisse einzubauen, um es realer zu gestalten, aber ehrlich gesagt, macht es das Ganze unnötig kompliziert und lenkt vom Wesentlichen ab. Ersparen wir uns das bitte.«
»Gerne.«
»Wir konnten beide Donnerstagnacht kein Auge zutun, so aufgeregt waren wir. Mein Besuch bei euch endete gleich nach dem Abendbrot. Ich bin mit fliegenden Fahnen abgedüst, weil Bernd und die Kinder unser Geschnatter nicht länger mit anhören wollten – also haben wir uns später via Telefon weiter auf unsere Reise eingestimmt, während wir ein-, um- und wieder auspackten. Du wolltest unbedingt, dass ich den roten Strickpulli mitnehme, in dem ich aussehe wie ein Elefantentampon.«
»Das stimmt nicht, er steht dir hervorragend.«
»Genau das hast du mir auch am Telefon einreden wollen. Mit diesem riesigen Teil im Koffer wäre kaum noch Platz für etwas anderes geblieben. Ich konnte mich durchsetzen und stattdessen ein paar Blüschen mitnehmen. Bevor du jetzt Einwände erhebst: Die hatte ich mir zufällig alle tags zuvor gekauft, genau wie die Spitzenunterwäsche.«
»Das ist unfair! Ich fliege mit meinen alten Fetzen los, und du bist neu eingekleidet?«
Für Sie zur Info: Charline-Elke Breitschnabel hat mehr Klamotten im Schrank als Neckermann auf Lager. Sie kauft Mode quasi, bevor sie entworfen wurde. Es gibt nichts Neues, das ich mir für sie ausdenken könnte, was sie nicht bereits besitzt. Beispiel Jacken: Im Sommer brauche ich keine, für den Winter habe ich eine – seit fünf Jahren dieselbe. Ich schleife sie weder über Schotter, noch schlage ich damit Brände aus. Die Jacke wird mich also voraussichtlich überleben. Anders Charline. Für den Fall, dass Jacken ab morgen für immer ausverkauft sind, häuft sie für die gesamte Nation welche an. Laut eigener Aussage braucht sie die alle. Für das Frühjahr: eine für schöne Tage, zwei für nicht ganz so schöne Tage. Eine für Nieselregen, für kräftigen Regen, für Hagelschauer. Eine jeweils für Ost-, West-, Süd- und Nordwind, eine für Sturm, für leichte Böen, für beides im Wechsel sowie in Kombination mit sämtlichen Niederschlagsarten. Für den Notfall: eine für sibirische Kälteeinbrüche, je eine passend zu ihren braunen, grünen, roten, … Stiefeln, eine für Bootsfahrten, für Spaziergänge am Sonntag und für alltags. Ich bin noch längst nicht am Ende, das Jahr hat vier Jahreszeiten plus Übergangszeiten. Ferner habe ich nur das Beispiel Jacke erläutert. Mit ihren übrigen Kleidungsstücken verhält es sich ähnlich. Ich überlasse es Ihrer Fantasie und Ihrer Zeit, die Reihe fortzuführen. Mit Charline einige ich mich dahingehend, dass sie selbst entscheidet, was sie für unsere Reise an Kleidung auswählt. Wir übersehen mal großzügig, dass die anderen Passagiere auch Koffer mitnehmen, und dass es eine Gewichtsbegrenzung gibt, weil kein Flugzeug mit Charlines Kleiderschrank im Gepäck in der Lage wäre, vom Erdboden abzuheben. Ich wollte nur meine Bedürftigkeit erklären. In dem roten Strickpullover kann ich keine Liebesszene spielen. Es sei denn, ich benutze ihn als Spielwiese vor dem Kamin.
Aufbruchsstimmung
»Abflug Freitagmorgen, sechs Uhr, Hannover, Terminal eins. Um ein Uhr haben wir immer noch telefoniert, bis Merle plötzlich weinend auf der Treppe saß. Stina hatte ihr eingeredet, du führest weg und
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