Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
Vom Netzwerk:
kämst nicht wieder. Unsere Aufregung war komplett auf die beiden übergesprungen, was sie einfach nicht zur Ruhe kommen ließ. Oben knallte Stinas Zimmertür zu, und unten steigerte sich Merles Geschluchze zu einem Heulkrampf, der darin gipfelte, dass sie sich auf deine Nepal-Brücke übergab. Gegen halb zwei haben wir unser Telefonat abgebrochen – du brauchtest beide Arme, um sie zu trösten.«
    »Immer dieses Theater.« Charline schüttelt den Kopf. »Wenn ich schon mal was vorhabe.«
    »Ihre Mitbringselwünsche aufzuschreiben und dein Versprechen, ganz bestimmt wiederzukommen, besänftigte deine Mädchen schließlich, sodass sie doch noch in den längst überfälligen Schlaf fielen. Bernd hat von all dem nichts mitbekommen, du weißt ja, wenn er schläft, dann schläft er. Man könnte ihm eine Niere rausoperieren, ach, ihn völlig ausweiden, er würde nicht aufwachen. Er pellte sich erst aus den Federn, als alle Tränen vergossen waren, und wollte auch gleich losfahren. Während du im Badezimmer dein Make-up aufgefrischt hast, murmelte er vor der Tür was von: ›Viel zu spät dran‹ und ›Das schaffen wir sowieso nicht mehr!‹ Sein Murmeln steigerte sich in ein Meckern. Er begann, im Flur auf und ab zu marschieren. Er klopfte – du warst bereits seit zwei Minuten im Bad, dir hätte sonst etwas passiert sein können. Männer schaffen es in dieser Zeit kaum, sich zu entscheiden, ob sie sich zum Pinkeln lieber hinsetzen oder stehen bleiben. Warten sie aber auf eine Frau, verlieren sie jedes Zeitgefühl. Da werden ein paar Minuten gern mal als stundenlang ausgelegt. Wir hatten uns für 2.30 Uhr verabredet. Ihr kamt fünfzehn Minuten später bei mir an. Bernd ließ den Motor laufen und schickte dich, um mich zu holen. Er war ärgerlich darüber, dass ich nicht schon vor der Haustür stand. Er sollte mich besser kennen.
    Ich robbte auf der Suche nach meiner Kontaktlinse auf allen vieren durchs Badezimmer. Mir klebte alles Mögliche an den Fingern, nur keine Linse. Ich war längst nicht abfahrbereit. Du hast Sturm geklingelt – bei Herrn Steiner. Es war ja dunkel. Dein Klingeln habe ich nicht mitbekommen, aber das Geschrei von dem Giftzwerg. Seine kleine Kläffwurst, Dackel Ernesto vom Rauschebach, unterstützte ihn lautstark. Im ganzen Haus gingen die Lichter an und Wohnungstüren klappten auf. Bernd schaltete den Motor ab und eilte dir zur Hilfe. Aufgestachelt durch sein Herrchen, war der Werwolf in Ernesto erwacht. Er knurrte dich an die Wand. Bernd stellte sich zwischen dich und das Ungeheuer und versuchte, Herrn Steiner nebst Dackel zu beruhigen. Begleitet vom Geschimpfe der übrigen Hausbewohner bist du die Treppe hochgestolpert und warst heilfroh, als du meine Wohnungstür hinter dir zuschlagen konntest. Auf einen Knall mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht mehr an. Ich war derweil fündig geworden, drückte mir die Linse ins Auge und schenkte uns erst mal ein Glas Sekt ein. Das Spektakel draußen drang wie ein fernes Echo an unsere Ohren. Wir standen uns gegenüber, prosteten uns zu. Plötzlich packte es uns mit heißen Krallen – das Reise-Vorfreude-Fieber. Unser Adrenalinspiegel stieg bis unter die Kopfhaut an, und unsere Herzklappen flatterten wie Schmetterlingsflügel im Sturm. Charline, wir waren so was von aufgedreht! Und das in Kombination mit Alkohol … Wir fingen an zu lachen und konnten gar nicht wieder aufhören. Es ist diese Art von albernem Lachen, das in totaler Hysterie enden kann, grundlos, unangebracht, manchmal sogar gefährlich – je nachdem, wo es einen erwischt. Mir wäre beinahe das Trommelfell geplatzt, weil ich versuchte, es zu unterdrücken, aber es quoll mir aus der Nase. Lachen ist wie Wasser – es sucht sich immer seinen Weg.
    So konnten wir jedenfalls unmöglich runtergehen. Die hätten uns mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib verbrannt – ohne Prozess. Wir beschlossen, uns kurz zu trennen, um klar im Kopf zu werden. Du gingst ins Schlafzimmer, ich ins Bad. Die Angst, unseren Flieger zu verpassen, beschleunigte unsere Ernüchterung. Ich sah mich noch mal um. Herd aus? Bügeleisen aus? Alle Fenster zu? Ja, ja, ja. Die Tickets hattest du. Fertig zum Abmarsch. Unten vor der Haustür im Flur hatte sich alles versammelt, was kriechen konnte. Von oben sah es aus, als würde Bernd in einem Beet stehen, umringt von Blüten, von aggressiven Blüten. Er drehte sich wie ein Brummkreisel, je nachdem, aus welcher Richtung die Stimmen kamen. Vielleicht wollte er auch

Weitere Kostenlose Bücher