Auf Couchtour
was brennt, sogar Grillanzünder und diese Gelbecher für Fondue. Hier leuchtet und lodert es wie in der Hölle – dummerweise ist es auch genauso heiß, ich schätze so neunzig bis hundertfünfzig Grad. Ich muss viel Wasser trinken, damit ich nicht kollabiere. Vielleicht verzichte ich darauf, die Servietten als Tower-Bridge zu falten … Ich werde ja sehen, wie viel Zeit mir nachher übrig bleibt. Erst mal reiße ich die Balkontür auf – nur ein Minütchen. Gott sei Dank ist es windstill. Ich atme tief ein und sauge mich mit frischer Luft voll. Das tut gut. Nur zu gerne würde ich hier stehen bleiben, aber ich muss zurück in die Küche, wo mein Essen noch auf den letzten Schliff wartet: Entenbrüste in Sauerkirschen, Kartoffelknödel, Rotkohl und Birnen mit Preiselbeerfüllung. Das Rezept habe ich aus dem Internet. Uschi K. aus W. kocht es immer für ihre Lieben zu besonderen Anlässen. Wehe dir, wenn es ein Juxrezept ist, Uschi. Es riecht jedenfalls fantastisch. Von Sauerkirschen schwellen zwar meine Ohrläppchen an – sie werden so groß wie Tischtennisbälle –, aber immer noch besser als Orangen, was Uschi als Alternative vorschlägt. Allein beim Gedanken an Orangen wachsen mir Haare am Gaumen. Ich muss davon husten und schnalze permanent mit der Zunge, weil mein Mundraum zu einer juckenden pelzigen Höhle mutiert – und das stört beim Sprechen. Dicke Ohrläppchen sind okay. Wie war noch gleich meine Reaktion auf Rotkohl? Sei’s drum, ich lasse ihn für Charline.
Es klingelt. Mist, Charline! Sie ist zu früh! Hoffentlich hat sie einen Bikini dabei.
»Willkommen in der Hölle, meine Liebe.« Sie umarmt mich. Sie ist angenehm kühl. Ich halte sie so lange wie möglich gedrückt.
»Nein, das ist ja unglaublich«, zischt es über meine Schulter. »Ist das schön hier! Gibt es was zu feiern?« Charline entledigt sich überflüssiger Klamotten und startet ihren Rundgang. Soll sie ruhig. Ich muss mich um die Soße kümmern. Wenn Charline mich besucht, begutachtet sie erst einmal jeden Winkel meiner Wohnung, als wäre sie das erste Mal bei mir. Jedes Blümchen, jeder Nippes, selbst die Zeitung auf dem Wohnzimmertisch werden von ihr gewürdigt. Sie befummelt alles, riecht daran, streicht meine Kissen glatt. Jemand, der sie nicht kennt und dabei beobachten würde, müsste denken, sie sei bis eben in einer Isolationszelle eingesperrt gewesen. Ich rühre derweil wie eine Maschine die Soße um. Der Bequemlichkeit halber bleiben wir zum Essen in der Küche. Es ist zwar ziemlich eng hier, aber praktisch, weil ich gleich vom Herd aus servieren kann und nicht erst alles ins Wohnzimmer schleppen muss. Außerdem möchte man bei der Hitze dort höchstens Eiswürfel lutschen – und dann wäre meine ganze Arbeit für die Katz. Charline schleicht sich an, um den Inhalt der Töpfe zu inspizieren. Ich bin fast fertig. Es macht mir wahnsinnig viel Spaß, sie zu beeindrucken, weil sie mich mit Anerkennung überhäuft. Wer hat das nicht gern? Die Soße fordert meine gesamte Aufmerksamkeit. Charline drängelt sich an mir vorbei. Die Dunstabzugshaube übertöst ihre Komplimente. Ich will einfach nur, dass sie sich hinsetzt und mich mein Werk vollenden lässt. Ihr Gemurmel und Getapse stören meine Konzentration. Sie aber will mir helfen, greift nach dem Kochlöffel. Ich wehre sie ab und kicke sie zielsicher mit der Hüfte auf ihren Stuhl. So ist es besser: »Voilà, Entenbrust à la Uschi, die kulinarische Einstimmung auf unseren Kurzurlaub in England.«
»England?« Charline klatscht begeistert. »Essen die Engländer nicht Fish and Chips und diese fettigen Würste?«
»Nein«, schwindele ich, während ich die Teller überlade. »Das bieten sie den Touristen an. Die Briten sind nämlich ein schlaues Völkchen. Sie erklären offiziell zum Nationalgericht, was sie selbst nicht mögen. Bevor sie es wegschmeißen, verkaufen sie das Zeug lieber an die Urlauber, die sind ganz wild auf traditionelle Küche. Warum sollten sie ihre Entenbrüste teilen?«
»Stimmt. Auf die Idee wäre ich nie gekommen!«
»Du wurdest ja auch nicht damit beauftragt, dir einen Absatzmarkt für Fett-Müll auszudenken. Jetzt probier endlich, ich will wissen, ob es schmeckt!« Synchron nehmen wir beide den ersten Bissen. Wir halten dabei Blickkontakt. Charlines Gesichtszüge entspannen sich, sie verdreht ihre Augen gen Deckenlampe und beschließt diesen ersten Eindruck mit: »Grandios!« Ich gebe ihr recht. Uschi, ich schulde dir was.
»Das ist ja wie
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