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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
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verfallen. Im Ernstfall hatte das sicher sein Gutes. Einige der Passagiere nickten, warum auch immer, andere lehnten sich vor, um sein Genuschel zu begreifen. Am Ende der Durchsage war keiner schlauer als vorher – trotzdem: frenetischer Applaus. Warum? Er hatte nur seinen Job gemacht und den auch noch schlecht. Wenn er flog, wie er sprach, mussten wir mit einem Blindflug rechnen. Ich verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Gab es eine Kamera im Fahrgastraum, sollte sie dem Piloten ruhig zeigen, dass ich seine Profilneurose nicht unterstützte. Du hast übrigens geklatscht, als hätte man dir gerade eine Ladung neuer Batterien eingesetzt.«
    »Schon klar, ich war die Dumme, du Frau Schlau!«
    »Genau. Dafür durftest du auch mein Sandwich haben – mit Thunfisch. Ich hasse Thunfisch, daher musste ich dir beim Essen zugucken. Zum Nachtisch gab es Schokoladenpudding, der so steif war, dass der Löffel drin stecken blieb. Bah! Ich habe den Becher zwischen meine Knie geklemmt und wollte den Klumpen mit beiden Händen umrühren. Der Plastikstiel brach ab. Super. Ich hielt mir den Becher vor das Gesicht und drückte von unten den Pudding nach oben, um abzubeißen, aber das Zeug flutschte schneller raus, als ich zuschnappen konnte. Das Ende vom Lied: Ich war vom Kinn bis zur Gürtellinie besudelt. Die Passagiere in der Reihe neben uns, die bis eben versucht waren, meine Taktik nachzuahmen, stellten ihre Becher zurück aufs Tablett. Die Feiglinge. Wenigstens waren sie so taktvoll, ihre Schadenfreude in die entgegengesetzte Richtung rauszuprusten.«
    »Warum hast du dir die Klamotten eingesaut? Das hätte doch dem patzigen Rücken passieren können – als Rache für dein Verbal-k. o.«
    »Guter Plan, aber für meine Rache sorgte ein anderer. Ich musste dieses Opfer bringen, damit wir einen Grund hatten, uns von unserem Platz zu entfernen. Warum, wirst du gleich verstehen. Ich wusste, du würdest mit Flecken auf deinem Kaschmirpullover arge Probleme haben, daher übernahm ich die Rolle der Ungeschickten. Passt auch irgendwie besser zu mir als zu dir. Der patzige Rücken war ohnehin nicht am Essen interessiert. Er orderte einen Whisky nach dem anderen. Die Stewardess blieb in unserer Nähe, weil ihr das ständige Hin- und Hergelaufe zu viel wurde. Sie bot ihm eine Flasche an. Daraufhin schnauzte er: ›Wenn ich eine Flasche will, bestelle ich eine, und wenn mir der Sinn danach steht, angequatscht zu werden, lasse ich es Sie wissen. Bis dahin tun Sie das, wofür Sie bezahlt werden, und bedienen mich.‹«
    »Was für ein Kotzbrocken. Keiner könnte den patzigen Rücken besser mimen als Jack Nicholson.«
    »Du sagst es. Die Stewardess setzte ein verkniffenes Lächeln auf und schenkte ihm nach. Ihr blieb keine Wahl. Trotz der Unmengen an Alkohol, die er bereits in sich reingeschüttet hatte, wirkte er erstaunlich nüchtern. Vermutlich war er es gewohnt, zu saufen wie ein Loch. Es war unangenehm, dass er mit seinem hochprozentigen Atem unsere Luft verpestete, noch unangenehmer war die ständige Über-uns-Hinwegreicherei von Bechern. Die Stewardess suchte in unseren Gesichtern nach Verständnis. Ebenso wenig wie wir wagte sie, laut auszusprechen, was ihr auf der Zunge lag. Wir nickten ihr zu und bekundeten still unser Mitgefühl. Er jagte uns Angst ein. Er wirkte so unberechenbar wie einer, der erst zusticht und dann fragt, was man wollte. Seine Augen schienen zu drohen: ›Ich weiß, wie du heißt, wo du wohnst und wann du allein bist und niemand dich schreien hört.‹ Man brauchte kein Menschenkenner zu sein, um zu erraten, dass der Mann nicht koscher war. Die Stewardess stand neben uns, als mir das Missgeschick mit dem Pudding passierte. Sie reichte mir ein Handtuch und empfahl mir, die Flecken mit kaltem Wasser abzutupfen. Mehr konnte sie nicht für mich tun. Der patzige Rücken hatte natürlich alles mitbekommen. Er glotzte mich an. Ich konnte nicht umhin, seinen Blick zu erwidern. Er forderte mich ja direkt heraus. Ich war entschlossen, ihm die Stirn zu bieten. Mit hochrotem Kopf sah ich seinem Spottvers entgegen. Doch stattdessen begann er, sich zu schütteln. Schütteln ist vielleicht das falsche Wort; es war, als würden Wellen durch seinen Körper schlagen. Wir rechneten mit dem Schlimmsten. In Erwartung eines sich über uns ergießenden Schwalls aus unverdautem Whisky und Matjes, lehnten wir uns so weit wie möglich zurück. Plötzlich brach ein Gebrüll aus ihm heraus, das man eher in einem Feldlazarett

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