Auf Couchtour
Krankengymnastin an Bord? Ich gönnte ja jedem einen Triumph, nur keiner dieser bornierten Vollkornnudeln. Bis auf meine beste Freundin, die sich laut lachend auf die Schenkel klatschte, schien unser Verbalscharmützel niemand bemerkt zu haben. Du Verräter.« Charline äfft meinen Gesichtsausdruck nach, den ich wohl, ihrer Mimik nach zu urteilen, bei meiner Beschreibung original aus dem Traum übernommen habe.
»Du müsstest dich mal sehen«, gackert sie, »du guckst wie Bernd, wenn ich ihm sage, dass ich ein kleines bisschen shoppen war … ruiniert.« Jetzt bin ich an der Reihe:
»Blödbröd. Nachdem ich dir leise, aber bestimmt zugezischelt hatte, dass ich dich erwürgen würde, wenn du nicht sofort deine Schadenfreude einstelltest, hast du dich ad hoc beruhigt und unsere Handtaschen oben in das Ablagefach gepackt. Die Frage, wer in der Mitte neben dem patzigen Rücken sitzt, stellte sich erst gar nicht. Du bist reingerutscht und ich nahm auf dem Sessel am Gang Platz. Zum ersten Mal seit unserer Abfahrt keimte so etwas wie Entspannung auf. Wir lehnten uns zurück und schauten uns an, voller Vorfreude auf unsere zwei Tage fern von allen Sorgen, allem Stress und dem, was danach kam. Es gab nur uns beide und ein Abenteuer, an das wir uns ewig erinnern würden. Ich griff nach deiner Hand. Dieser Moment hatte etwas so Friedliches und Inniges, dass ich ihn zu den schönsten unserer Couchtour zähle. Charline und Rita, Rita und Charline – wir fühlten uns so unzertrennlich wie damals in unserer Schulzeit.
Momente dauern nicht lange, das haben sie so an sich. Die Stewardess forderte uns auf, ihre Sicherheitsanweisungen zu verinnerlichen. Obwohl wir nicht vorhatten, abzustürzen, trennten sich unsere Blicke und richteten sich auf die mit den Armen wedelnde Frau. Ich frage mich, ob Stewardessen auch privat ständig gestikulierten, beim Sprechen, meine ich. Zweifellos haben die verlernt, sich auf normale Weise, nur über die Stimme, mitzuteilen. Es wurde ihnen ja antrainiert, jedes ihrer Worte pantomimisch darzustellen. Jetzt wird mir einiges klar! Sie sind es, die unsere Haftpflichtversicherungsbeiträge in die Höhe treiben, weil sie Sehschwachen wie mir die Brillen aus dem Gesicht und Kellnern die Tabletts aus den Händen schlagen und ständig alles vom Tisch fegen, was Flecken macht. Rechne dir nur mal die Schäden aus, die eine Stewardess so im Laufe ihres Lebens verursacht. Das geht in die Millionen. Multipliziere das mal mit allen Flugbegleitern weltweit, und du hast eine Summe, die man auf eine Tapetenrolle schreiben muss – so lang ist die.«
»Das geht mir wirklich zu weit. Du und deine Theorien. Warum musst du immer alles hinterfragen? Ich mag mir jetzt über so etwas keine Gedanken machen. Lass uns endlich abheben.«
»Okay. Der patzige Rücken musste sich zum Anschnallen umdrehen. Ich hab ihn demonstrativ ignoriert und gehofft, er würde sich ordentlich die Finger dabei klemmen.«
»Hat er?«
»Nein, verdammt. Die Einzige, die Probleme mit ihrem Gurt hatte, war ich. Wer saß vorher auf diesem Platz? Ein Yorkshireterrier? Der Gurt reichte mir gerade mal bis über die Hüften. Du musstest mir helfen, weil ich doch bei solchen Fummeleien immer schnell die Geduld verliere.
Dann hoben wir ab. Es war ein herrliches Gefühl, ganz sanft, ohne das geringste Ruckeln. Ein Lämpchen vor uns blinkte und signalisierte Entwarnung. Wir durften uns abschnallen. Der patzige Rücken drehte sich gleich wieder um und drückte seine Stirn ans Fenster. Wie gerne hätte ich ihm etwas hinten auf sein Hemd geklebt. Einen Zettel, auf dem steht: ›Hau drauf, ich mag das!‹ Und noch einen darunter mit: ›Fester, du Lusche.‹
Bedauerlicherweise hatte ich keinen Stift dabei. Na gut, ich war zu feige. Das ärgerte mich, weil es doch mein Traum war und ich der Gewinner sein sollte. Sei’s drum. Der Pilot begrüßte alle Fluggäste über einen Lautsprecher. Ich gehe davon aus, dass es eine Begrüßung war. Wir haben nichts verstanden. Hatten die uns einen Dänen ins Cockpit gesetzt? Nein, er hatte sich anscheinend das Mikrofon so weit in den Rachen geschoben, dass es sich anhörte, als würde er mit Buchstaben gurgeln. Der hätte uns erzählen können: ›So, gleich stürzen wir ab. In zwei Minuten schlagen wir auf. Bringen Sie sich bitte in die Embryonalstellung. Das wird Ihnen bei der bevorstehenden Explosion kaum das Leben retten, aber es ist immerhin besser, als untätig auf den Knall zu warten …‹ Keiner wäre in Panik
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