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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
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einen Anker ausgeworfen. Ein Blick zurück bestätigte meinen Verdacht, dass hier aus Angst vor Bomben alle Mülleimer abgeschraubt worden waren. Endlich am Ziel, ließ ich mich am Ende einer langen Schlange auf meinen Koffer fallen. Du hast dich nach mir umgeschaut und mich nicht gleich entdeckt, weil du ja in Augenhöhe gesucht hast und nicht am Boden. Ich fand, du hattest nach deinem rücksichtslosen Spurt einen kleinen Schreck verdient. Ich wartete ein paar Sekunden, bevor ich an deiner Jacke zupfte, um dir meinen Aufenthaltsort zu verraten. Du warst erleichtert, mich zu sehen. Wir lächelten uns an.
    Es war kein wirklich entspanntes Lächeln – denn noch saßen wir nicht im Flieger. Die Tickets hieltest du schon in der Hand, für den Fall, dass alle vor uns in der Reihe plötzlich tot umfielen und wir dran wären. Ich befreite meine Tasche von dem ganzen Unrat und schüttelte sie aus. Es staubte und rieselte. Wäre es kein Traum gewesen, hätte ich die längste Niessalve aller Zeiten abgeschossen. So kam ich mit einem handgedämpften Hüsterchen davon. Ich brachte mich in eine bequeme Position und lehnte mich bei dir an. Alle paar Minuten rutschte ich ein Stück vor. Es dauerte ewig, bis alle abgefertigt waren und du endlich unsere Tickets abgeben konntest. Ich erhob mich erst im letzten Moment. Besser gesagt, ich schoss hoch wie ein Teufel aus der Kiste. Die Frau am Schalter zuckte vor Schreck zurück, blieb aber freundlich. Wir stellten die Koffer auf das Band neben dem Tresen. Meiner hatte eine tiefe Delle oben, etwa in der Breite meines Hinterteils. Er bekam trotzdem eine Banderole und durfte mit seinen unversehrten Artgenossen abrollen. Wir wurden zur Sicherheitskontrolle verwiesen und gingen direkt dorthin, diesmal im Gleichschritt, weil ich ja jetzt unbeschwert war. Wir fummelten Gürtel und Schmuck ab und legten sie in zwei Körbchen. Ein schnuckeliger junger Mann durchsuchte uns mit einem Metalldetektor auf Waffen. Ich war bestimmt nicht die Erste, die bereute, kein Intimpiercing zu haben. Eine Leibesvisitation mit ihm allein, in einem schalldichten Separeeeee …«
    »Sag nicht, es geht schon los.«
    »Ach was. Der zeigte nicht das geringste Interesse an mir. Total unnahbar der Typ. Selbst wenn ich auf einer Kanone in die Sicherheitszone geritten wäre, hätte er mir nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt als unbedingt nötig. Er erinnerte mich an Pierre van Deelen, aus der Zehnten, weißt du noch?«
    »Der schöne Pierre, wie könnte ich ihn vergessen. Ich habe ihn in der Schule in jeder Pause angeschmachtet, in der Hoffnung auf einen Blick von ihm.« Charline greift sich theatralisch an die Brust und wirft ihren Kopf zurück. Ich lasse sie einen Augenblick darüber nachdenken, wie es wäre, jetzt mit ihm verheiratet zu sein, bevor ich sie in die Realität zurückhole.
    »Ich hab’s dir versaut. Meine bloße Anwesenheit schreckte ihn ab. Er hätte mich auch angucken müssen, ich stand ja immer neben dir. Mein Anblick wäre unter seiner Würde gewesen. So ein Arsch. Sei mir bloß dankbar.«
    »Bin ich ja … Er ist geschieden, hab ich gehört.«
    »Charline!«
    »Stimmt das?«
    »Ja, ungefähr zum hundertfünfzigsten Mal. Seine letzte Frau ist älter als fünfundzwanzig geworden, wenn das kein Grund ist? Wer möchte schon mit einer alten Schabracke verheiratet sein? Wir sollten ihn bemitleiden, statt ihn zu verurteilen. Diese Frau hatte ihm verheimlicht, dass sie jedes Jahr ein Jahr älter wird und bekam, was sie verdiente – Schmach und Schimpfe. Von seinem Geld übrigens keinen Cent.«
    »Das glaub ich nicht.«
    »Ich schwör’s. Sein Anwalt ist mein ambulanter 1 6-Uhr -Patient, jeden Mittwoch. Ich kenne die schmutzigen Details aller Scheidungen der Stadt. Solltest du dich mal von Bernd trennen, geh bloß nicht zu dem Drömer, der ist der reinste Klatschonkel.«
    »Ich werd verrückt, erzähl mir mehr!«
    »Ein andermal, jetzt wollen wir verreisen, oder?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Also, lange brauchten wir nicht warten, bis unser Flug aufgerufen wurde. Wir sind durch die Passkontrolle zu dem Abfluggate spaziert, das auf einer Leuchttafel angezeigt wurde. Mein Lichtbild im Ausweis machte mir ein bisschen Sorge.«
    »Das ohne Nase?«
    »Genau das. Was kann ich dafür, wenn die beim Laminieren schlampen?«
    »Man wäscht seinen Ausweis auch normalerweise nicht in der Maschine.«
    »Ein Versehen, aber das muss ein Ausweis abkönnen.«
    »Die haben dich ohne Kommentar durchgelassen?«
    »Nicht ganz. Der

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