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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
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vermutet hätte, in dem ohne Betäubung amputiert wurde – vom Koch wohlgemerkt, weil sich der Arzt die Beine vertreten musste. Wir waren entsetzt. Die Leute um uns herum reckten die Hälse. Keiner wusste zu deuten, was in diesen Mann gefahren war. Ein Priester hätte gesagt: der Teufel. Aber in diesem Fall hätte der Teufel sich selbst heimgesucht. Nein, nein. Der patzige Rücken lachte! Er konnte es weder fassen, noch verhindern, was da aus ihm herauspolterte. Wahrscheinlich war es das erste Mal für ihn. Er röchelte und schnaufte, rang nach Luft. Ein Bild des Grauens. Die Stewardess ergriff die Flucht – wir auch. Ich konnte mich dem nicht länger aussetzen, rüttelte dich aus deiner Schockstarre und zog dich in den Gang. Ich spürte ein Spannen am Kinn. Der Schokoladenpudding trocknete und bröselte mir aufs Dekolleté. Ich trieb dich vor mir her. Um deine Schritte zu beschleunigen, stupste ich dich zwischen die Schulterblätter. Das Gegaffe der Leute nervte mich – dich mein Gestupse. Du hast dich umgedreht und mir gesagt, ich solle damit aufhören. Wo war überhaupt die verdammte Toilette? Wir schauten uns hilflos um. Eine Frau aus der mittleren Reihe erkannte unsere Not. Sie zupfte mich am Ärmel und deutete auf ein Hinweisschild, das hinter uns lag. Also marsch zurück zu dem Kabuff, das wir im ersten Anlauf übersehen hatten. Zum Glück war frei. Schnell rein und Tür zu. Erst jetzt offenbarte sich mir das volle Ausmaß der Fleckenkatastrophe.
    ›So eine Schweinerei‹, fluchtest du, während du anfingst, mit dem nassen Handtuch meinen Pullover abzutupfen. Ich betrachtete mein verkrustetes Kinn im Spiegel. Vorsichtig pulte ich das Gröbste ab. Das Licht über mir strahlte derart grell, dass ich fast durch mich hindurchgucken konnte. Warum machen die so was, ich meine, so eine Flutlichtbirne einschrauben? Wer will schon in die tiefen Abgründe seiner Poren spähen? Nach der verdreckten Oberfläche des Spiegels zu urteilen, einige. Hier war scheinbar nach Kräften gequetscht und gedrückt worden, weil man in diesem Licht einen Pickel sah, bevor er aufkeimte.«
    »Igitt.« Charlines Nase kräuselt sich. Die Vorstellung, die ich ihr natürlich ohne böse Absicht implantiert hatte, schlägt ihr auf alle Sinne. Sie blinzelt und fegt mit ihrer Zunge den üblen Nachgeschmack der Quetschbilder aus ihrem Mund. Warum sollte ich das für mich behalten? Ich hatte ihr eine detaillierte Beschreibung aller Einzelheiten versprochen, und daran halte ich mich. Basta. »Jetzt krieg dich wieder ein. Es gibt Abscheulicheres – zum Beispiel, wenn einer …«
    »Wage es ja nicht!«
    »Na gut, verschieben wir’s auf später. Das Abtupfen hat kaum etwas gebracht. Die Flecken waren nach wie vor da, nur jetzt auch noch nass. Ich zog mir den Pullover vom Körper ab, der beschwert vom Wasser an mir klebte, und lüftete die filzige Wolle. Du musstest pullern. Ich drehte mich mit dem Gesicht zur Tür. Danach wechselten wir die Position. Wir waren schon viel zu lange da drin. Es klopfte. Eine Männerstimme fragte, ob alles in Ordnung sei. Wir beantworteten seine Frage synchron mit ›Ja‹, nahmen uns aber trotz seines Drängens die Zeit, unsere Frisuren zu richten. Als wir die Tür öffneten, wartete ein ganzer Trupp auf Einlass. Der Mann, der als Erster dran war, hätte uns am liebsten mit den Köpfen zusammengehauen, aber er stand derart unter Druck, dass er kommentarlos an uns vorbeistürzte. Frauen können besser anhalten als Männer. Immerhin bewahren wir die Contenance, während Männer zappelig und zickig werden. Meine Blase hat das Fassungsvermögen eines Heißluftballons. Mir darf nur keiner auf den Bauch drücken, dann wird’s schwierig. Doch wer käme auf die Idee? Wir bahnten uns den Weg zurück zu unseren Plätzen. Die Stewardess stand nicht mehr im Gang, was unsere Orientierung erschwerte. Ich deutete das als ein gutes Zeichen. Ich hoffte, der patzige Rücken hatte sich ins Koma gezecht und verschlief den Rest des Fluges. Mein Wunsch ging in Erfüllung, zumindest augenscheinlich. Er lag in seinem Sessel, selbstverständlich mit dem Rücken zu uns. Sein rechter Arm baumelte schlaff herunter. Seine Hand strich an deiner Wade entlang. Du fandest das widerlich und hast darauf bestanden, deine Beine auf meinen Schoß zu legen. Wecken wolltest du ihn nicht.
    Für mich war das kein Problem. Deine Beine sind leicht – aber lang. Das Problem hatten diejenigen, die im Gang an uns vorbei wollten. Die meisten scheuten sich

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