Auf Couchtour
wir uns nicht erinnern. Wir stellten uns zu der Frau aus dem Mittelgang und fragten sie, ob es ihr besser gehe. Unsere Gesellschaft schien ihr irgendwie unangenehm zu sein. Sie wirkte nervös. Obwohl ich mich ihr von meiner besten Seite gezeigt hatte, musterte sie mich verstohlen. ›Es ist alles halb so wild!‹, entgegnete sie barsch und hoffte insgeheim, uns so abschütteln zu können, aber wir blieben an ihrer Seite. Harold und die Stewardess kamen ganz zum Schluss. Sie waren ebenso Verdächtige wie wir. Das passte ihnen überhaupt nicht. Sie grenzten sich ab, um ihre Unschuld zu demonstrieren. Als endlich alle vollzählig versammelt waren, betrat Stiller mit einem Officer den Raum. Das Gemurmel brach abrupt ab. Nur das Geschluchze der alten Dame tönte leise durch die Reihen. Sie schnäuzte sich – ich will gar nicht wissen, wo rein. Die Befragung werde in alphabetischer Reihenfolge stattfinden, so Stiller. Wir sollten unverzüglich zum Eingang kommen, sobald man unsere Namen aufriefe. Das war eine gute Nachricht. Als Breitschnabel und Engel dürften wir flott durchkommen. Der Officer blieb, Stiller entfernte sich – wir waren ihm zu ungefährlich.
Du hast uns zwei Gläser Wasser geholt. Ich bin kein Wassertrinker, fand es aber prima, etwas in den Händen zu halten. In unangenehmen Situationen weiß man immer nicht, wohin damit, mit den Händen, meine ich. Eine Zigarette und eine Bloody Mary wären mir lieber gewesen. Wie heißt es doch so schön? Alles, was Spaß macht, ist verboten. Wie wahr. Man rief die Ersten auf: Altbacken, Erich und Angaard, Martha. Aha, waren also doch Dänen an Bord.«
»Angaard, Martha?«
»Genau. Das Interessante ist: Wir kannten sie.«
»Lass mich raten, die Stewardess, deren Name dir zufällig entfallen ist.«
»Nein. Die Frau aus dem Mittelgang, neben uns.«
»Ach.«
»Sie humpelte zur Tür und wurde zusammen mit Erich von einem Officer hinausbegleitet. Unter den Verbliebenen machten misstrauische Blicke die Runde. Jeder verdächtigte jeden. Ob sie den patzigen Rücken schon aufgesägt hatten? Seine Galle war gewiss so groß wie ein Seesack.«
»Warum sollten sie ihn obduzieren, die Todesursache war doch klipp und klar: Ersticken durch Strangulation.«
»Das meinst du. Pathologen geben sich mit einer einfachen Erklärung nie zufrieden. Sie wollen aufschneiden, ausweiden, stochern und Praktikanten mit Innereien beschmeißen. Pathologen haben ihre eigene Art von Humor, den nur Menschen verstehen, die in Leichenhallen Leberwurstbrote essen. Stell dir vor, der patzige Rücken wäre vor dem Würgeangriff an einem Herzinfarkt gestorben. Dann würde die Anklage auf versuchten, statt vorsätzlichen Mord lauten. Man muss auch immer an den Täter denken. Für den macht das ein paar kostbare Jahre Unterschied aus. Wo kämen wir hin, wenn wir die armen Mörder so vorschnell verdonnern würden?«
»Ist nicht dein Ernst, oder?«
»Nein, aber so läuft es nun mal. Übrigens, Erich und Martha kehrten nach einer halben Stunde zurück. Sie sahen blass aus, beide. Erich setzte sich an den Tisch. Martha sprach mit der Stewardess. Ich konnte auf ihren Lippen das Wort Toilette lesen. Die Stewardess wandte sich an den Officer. Der rief erst über Funk zwei seiner Kollegen herein, danach zu einem Sammelgang aufs WC auf. Wir schlossen uns der Gruppe an und wurden von den Polizisten quer durch den Saal geführt. Es formierten sich zwei Geschlechter-Schlangen vor den Türen. Martha stand in der falschen Reihe. Sie war wohl etwas durcheinander. Du hast sie auf unsere Seite gezogen. Wir durften nur einzeln rein, damit die Officer kontrollieren konnten, ob jeder, der reinging, auch wieder herauskam. Raffiniert. Man liest ja alle Tage, wie sich Verbrecher durch die Kanalisation in die Freiheit spülen. Aber: Vorschrift ist eben Vorschrift, ganz gleich, wie sinnlos sie ist. Für uns bedeutete das Warten. Nebenan ging alles ratzfatz. Die Tür klappte auf und zu. Ich hörte die Spülung im Akkord rauschen, aber keinen Wasserhahn plätschern. Was sagt uns das? Alles Ferkel. So können wir Frauen auch schnell. Im Waschraum des Damenklos drehte sich die Wasseruhr heiß. Wuschen die sich alle die Haare? Meine Güte, das dauerte. Hinter uns jammerte ein Kind. Die Mutter redete laut auf das Mädchen ein und erklärte Klein-Susi, sie müsse anhalten, auch wenn’s wehtue. Es seien ja nur noch zwei Frauen vor ihr dran. Sie würde es schon irgendwie schaffen. Die zwei Frauen waren wir. Ich ignorierte den
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