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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
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oben und dann wieder zurück, eben umgekehrt, capiche?«
    »Aha.«
    »Während der Inspektor auf seinen Einsatz wartete, fuhr er sich mit der rechten Hand im Zwei-Sekunden-Takt durch die Haare. Das machen die so, die Italiener. Mit der linken rückte er im gleichen Rhythmus seine verspiegelte Sonnenbrille zurecht, bevor sie überhaupt verrutschen konnte. Wenn man so cool ist wie Stiller, reagiert man, bevor etwas passiert. Dieser Mann hatte schon mehr Verbrecher dingfest gemacht, als du Schuhe im Schrank hast.«
    »Hunderte?«
    »Tausende! Für diesen Mann war ein Kugelhagel eine Melodie, die ihn zum Tanz aufforderte. Er trank Molotowcocktails zum Frühstück – brennend. Jeder Tag, an dem nicht auf ihn geschossen wurde, war für ihn ein verlorener Tag. Seine Droge hieß Schmerz, und seine Sucht kannte keine Grenzen. Die Haut an seinem Körper war nur noch ein grobmaschiges Netz aus Narbengewebe. Wenn er sich in Bewegung setzte, rasselte es, so viel Metall hatte er im Leib. Jemand wie Stiller nimmt sich nicht die Zeit, sich Kugeln rausoperieren zu lassen. Er überlebt oder stirbt. Er arbeitet einfach weiter, ob ihm das Blut in den Schuhen steht oder aus dem Hals schießt, spielt keine Rolle. Wer sich mit der Sense die Nasenhaare schneidet, schert sich einen Dreck um Kratzer.
    Ebendieser Mann richtete das Wort an uns. Als er die Luft für seinen ersten Satz einsog, stockte uns der Atem. Keiner wagte es, auch nur zu blinzeln. Was er daraufhin sagte, enttäuschte mich allerdings, offen gestanden. Ich hatte erwartet, dass er vorab mindestens drei bis vier Passagiere aus der ersten Reihe abknallen würde, um uns zu zeigen: Hier und heute ist Spaß auf unbestimmte Zeit verreist. Stattdessen räusperte er sich wie ein ganz normaler Mensch und informierte uns nüchtern, dass in diesem Moment ein Bus vorfahre, der uns zum Verhör ins Flughafengebäude bringen werde. In einem bewachten Raum sollten wir unsere Einzelbefragungen abwarten.
    Um den Ablauf zu beschleunigen, ordnete er unsere Aufstellung in Zweierreihen an. Beim Aussteigen sollten wir Harold und der Stewardess unsere Ausweise aushändigen und unseren Aufenthaltsort in London nennen. Es wurden Fragen nach dem Gepäck laut. Manche wollten telefonieren, um den Wartenden am Flughafen Bescheid zu geben oder Geschäftstermine zu verlegen. Stiller würgte das ab. Gepäck, auch das Handgepäck sowie Handys, würden von seinen Officern beschlagnahmt. Falls jemand auf Medikamente angewiesen sei, solle er das dem Bordpersonal angeben. Den Wartenden im Flughafen habe man bereits über eine Durchsage mitgeteilt, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gäbe, sich aber die Ankunft der bmi-Passagiere verzögern werde. Diese Mitteilung konnte kaum für alle gelten. Diejenigen, falls da überhaupt jemand war, die den patzigen Rücken abholen wollten, hatten definitiv Anlass zur Sorge, beziehungsweise Grund zu feiern, je nachdem.

Auf glühenden Kohlen
    Das Wörtchen Verzögerung bereitete uns Unbehagen. Es ist der mit Abstand am weitesten dehnbare Begriff, den ich kenne. Was würde von unserem Urlaub übrig bleiben? Momentan sah es so aus, als läge es an jemand anderem, diese Frage zu beantworten.«
    »Dem Mörder.«
    »Dem hoffentlich geständigen Mörder. Uns blieb nur, die Augen und Ohren offen zu halten. Die anderen Fluggäste begannen bereits, sich aufzustellen. Alle wollten es hinter sich bringen und so schnell wie möglich weg von der Leiche. Auf einmal! Vorhin wären sie dem Erdrosselten am liebsten auf den Schoß gekrochen, um ganz nah an ihm dran zu sein. Verstehe das, wer will. Bevor wir jedoch herauskonnten, kamen drei rein. Ein Fotograf, ein Ermittler und ein Pathologe, die alle von Stiller unterwiesen wurden. Sie warteten, um den Ablauf nicht zu stören, dort, wo wir zuvor während der Landung gesessen hatten. Der Gang war beinahe zu eng für Stillers Plan. Zwei Moppels nebeneinander – ausgeschlossen. Wir zwei passten zusammen gerade so durch. Zum Glück waren wir nicht die Letzten, sondern ziemlich in der Mitte. Der Bus musste mehrmals fahren. Es war eine elendlange Schlange, deren Ende wir nicht sehen konnten. Wir nannten unsere Namen, unser Hotel Heavens Door , gaben unsere Pässe ab und durften endlich unsere Füße auf britischen Boden setzen. Nur für ein paar Schritte, aber immerhin. Durch eine Allee von Polizisten marschierten wir unseren Vorgängern hinterher und stiegen in den Bus. Der Flugplatz war riesig – wie eine Stadt. Es ist der größte Flughafen

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