Auf Couchtour
wollte. Dabei hatte Steel alles, was sich McGee wünschte, eine wunderschöne Ehefrau, zwei Kinder und ein bezahltes Anwesen in Notting Hill, weil die stinkreichen Eltern der wunderschönen Frau auch noch spendabel waren. Steel bekam den ganzen Kuchen und den Schlag Sahne obendrauf – immer. Was blieb für ihn, McGee? Die Krümel! Eine Zwei-Zimmer-Wohnung im Haus seiner Eltern, unter dem unisolierten Dach, wo es im Sommer gut sechzig Grad heiß wurde und man sich die Füße in seinen Schlappen verbrannte. Ein leeres Bankkonto, weil er die Arztrechnungen seiner Mutter bezahlen musste, der jeden Tag eine neue Krankheit einfiel, die sie gern hätte, aber nicht hatte. Er war zehn Jahre älter als Steel und bekleidete bei Scotland Yard trotzdem den gleichen Rang. Seine Beförderung war mehr als überfällig. Der Neid auf seinen Partner raubte ihm die Kräfte, die er für herausragende Leistung im Job brauchte. Er schien aber weit ab davon zu sein, das zu begreifen, und suhlte sich lieber in Selbstmitleid. Sein Körper hatte die Form einer Birne: die Schultern so schmal wie die einer Prinzessin, seine Hüften so breit wie die eines Pflugochsen. Ein Schwamm im Anzug, nur der Stoff hielt ihn in Form. Seine Haut war blass und fahl, seine Augen trübe, sein Händedruck feucht. Kurzum, ein Typ, zu dem jeder Mann seine Frau in den Schlafsack stecken würde, ohne auch nur im Traum daran zu denken, dass da etwas Unanständiges laufen könnte. Frauen fanden ihn nett. Sie wollten ihn als Kumpel oder als Vermittler, um an Aaron ranzukommen. Hin und wieder benutzten sie seine Hemdsärmel zum Ausweinen und Schnäuzen, nachdem Aaron sie abserviert hatte. Doch unabhängig davon, wie eifersüchtig McGee auf seinen Kollegen war – er hätte sich niemals dazu hinreißen lassen, Mrs. Steel die Eskapaden ihres Mannes zu petzen. Es gab einen Ehrenkodex unter den Scotland-Yard-Officern, Diskretion war oberstes Gebot. Er hielt sich dran.
Aber machen wir’s wie alle Frauen: Vergeuden wir nicht zu viel Zeit mit McGee, sondern richten unser Augenmerk lieber auf den smarten Aaron, der dich übrigens immer noch lächelnd beäugte. Ich habe ihm der Fairness halber eine Familie angedichtet, damit du die Schuld nicht alleine tragen musst. Obwohl ich glaube, dass dieser Mann sich niemals schuldig fühlte, wenn er die Früchte seiner unwiderstehlichen Anziehungskraft erntete. Von großer Liebe war ja eh nie die Rede. Aaron Steel ist perfekt für eine Affäre, der man am Ende nicht nachtrauert, an die man sich aber für den Rest seines Lebens warmherzig erinnert. Recht so?«
»Ja«, druckst Charline kleinlaut. »Gibt es einen Fahrstuhl im Gebäude?«
Ich brauche einen Moment, um zu verstehen. Ach so, sie meint die versprochene Liebesszene. »Nein, später. Geduld, Geduld. McGee räusperte sich und begann, ungeachtet der Tatsache, dass er euch störte, dich zu befragen: Was du in London wolltest, wie lange du vorhättest, zu bleiben, in welches Hotel du einchecken würdest, ob dich jemand begleitete, ob dir während des Fluges etwas aufgefallen sei usw. Mit seinen Fragen versuchte er, Wasser auf die Flammen zu schütten, die zwischen dir und Aaron loderten. Erfolglos. Niemand vermag ein Buschfeuer mit Spucke zu löschen – schon gar nicht McGee. Du hast ihm eintönig geantwortet, ohne ihn dabei anzusehen. Für ihn nichts Neues. Er spulte seine Fragenliste herunter und tippte deine Aussagen in seinen Laptop. Aaron griff nach deiner Hand. Er strich sanft über deine Finger und hakte mit dem Daumennagel unter deinen Ehering. Dabei hielt er seinen Kopf schräg und zwinkerte dir zu. Seine zärtliche Geste ließ dich so dahinschmelzen, dass du beinahe vom Stuhl geflossen wärst. ›Verheiratet?‹, wollte er wissen. Dieser Fuchs! Es ging ihm kaum darum, zu erfahren, ob du verheiratet warst, denn das bewies ja der Ring, sondern vielmehr legte er es darauf an, dir zu entlocken, wie sehr du dich deinem Gatten verbunden fühltest. Gab es da ein Schlupfloch für ihn, einen klitzekleinen unerfüllten Winkel deines Herzens, der Platz für ihn bot?
Ja, ja, oh ja! Er konnte es in deinen Augen lesen. Aaron schaltete in den zweiten Gang. ›Charline‹, wisperte er dir zu und behielt deinen Namen wie ein Stück Schokolade auf der Zunge. ›Sie stehen nach diesem erschütternden Ereignis sicher noch unter Schock. Erlauben Sie mir, mich heute Abend persönlich nach Ihrem Befinden zu erkundigen?‹«
»Ja!«, entgegnet Charline, bevor ich für sie sprechen
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