Auf Couchtour
Sie hat uns bestimmt verflucht. War ich froh, dass sie keine Rumänin war, denn …«
»… rumänische Flüche sind grauenhaft und erfüllen sich meist.« Charline kennt mich wirklich in- und auswendig.
»Du und dein Rummelplatztrauma! Dass dir diese alte Wahrsagerinnen-Geschichte immer noch so nachhängt. Du bist doch sonst nicht abergläubisch.« Stimmt. Aber hätte sie damals wie ich in der Berg- und Talbahn eine halbe Stunde bei voller Fahrt rückwärtskreisen müssen, weil niemand imstande war, das Ding anzuhalten, würde sie anders darüber denken. Ich werde ihr bei Gelegenheit beweisen, dass ich mit meiner Behauptung recht habe, und ich weiß auch schon, wie …
»So, nun gehen wir der Gerechtigkeit halber in ein Geschäft für mich: In die Chocolate Box: Chocolates and Candy .«
»Wie öde.«
»Öde? Du kannst dir nicht vorstellen, was es da alles Leckeres gab und in welcher Form. Jedes Körperteil – und wenn ich sage jedes, dann meine ich jedes – konnte man da als Süßigkeit kaufen. Außerdem Londons Sehenswürdigkeiten, sogar die Queen, aus Schokolade.«
»Öde!«
»Genauso hast du auch im Traum reagiert. Mit verschränkten Armen und einem gelangweilten ›Ich warte draußen‹ bist du abgedampft. Ich wollte ein kleines Dankeschön für Troy kaufen, dafür, dass er uns zum Hotel chauffieren würde. Ich entschied mich für eine Miniaturausgabe des White Towers mit Marzipanfüllung. Auf der Verpackung las ich, dass er von Wilhelm dem Eroberer erbaut wurde, um die Stadt zu beschützen. Jetzt ist er nur noch eine Touristenattraktion und Aufbewahrungsstätte der Kronjuwelen. Das steht zumindest im Reiseführer auf Seite neunzehn. Im Traum habe ich mich für etwas anderes entschieden, aber das behalte ich für mich.«
»Ich kann’s mir schon denken, du Ferkel.«
»Schlecht ist, wer Schlechtes denkt …, ich meinte einen Hasen.«
»Mmmh, schon klar.«
»Wie dem auch sei«, schmunzele ich. »Ich befand mich schon auf dem Weg zur Kasse, als mich der Blick auf das Preisschild ausbremste. Zwanzig Pfund sollte das Türmchen kosten! Verdammt. Troy war mir das Geld wert, keine Frage, aber ich fand, das Preis-Schokoladen-Verhältnis stimmte ganz und gar nicht. Ich hab ihn eingesteckt, in meine Jackentasche.«
»Was?«
»Geklaut. Sollte ich etwa diese unverschämte Preispolitik unterstützen? Nein.«
»Ich glaub es nicht! Du hast mir versprochen, damit aufzuhören. Es ist so unbeschreiblich dämlich, zu stehlen. Du riskierst deinen Ruf für ein Stück Schokolade und hast es auch schon für weniger getan.«
»Als ob es in der Hinsicht etwas für mich zu verlieren gäbe.«
»Werd erwachsen, Rita. Das ist kein Spaß.«
»Okay, okay, in der Realität halte ich mich dran. Auf Couchtour bin ich an kein Versprechen gebunden. Es war das einzige Mal. Ehrenwort. Ich habe ja was gekauft. Eine Dose Lemon-Drops für neunzig Pence.«
»Wie ehrenwert.« Für Charline ist das ein heikles Thema. Ich kommentiere ihre Bemerkung nicht, sonst streiten wir uns gleich.
»Du hast davon nichts mitbekommen. Du bist vollkommen unschuldig. Als ich rauskam, scharrtest du mit den Hufen und wolltest unbedingt Sonnenbrillen anprobieren. Wir hatten aber keine Zeit mehr. Wer weiß, wie lange die Abfertigung dauern würde. Es sah immer noch ziemlich voll aus. Wir spielten Prominentenraten, bis wir an der Reihe für den Sicherheitscheck waren. Ich habe übrigens gewonnen.«
»Wie immer.«
Prominentenraten – meine eigene Erfindung – geht so: Zwei Mitspieler, einer pickt sich ein Gesicht aus der Menge, das einem Prominenten ähnelt, und sagt: »Ich hab einen.« Möglichst unauffällig lokalisiert man ihn für den anderen. Menschen, die man ungefragt zu Spielfiguren erklärt, sind in der Regel nicht damit einverstanden. Falls Sie dieses Spiel mal ausprobieren möchten, agieren Sie daher bitte äußerst feinfühlig, sonst verderben Ihnen die Leute den Spaß. Die können echt sauer werden, wenn man mit dem Finger auf sie zeigt und ruft: »Ich meine die schmierbäuchige, spärlich behaarte Speckbirne da, rechts außen auf der Bank, in dem hässlichen Rollkragenpullover.« Am besten nickt man nur dezent in die Richtung und flüstert. Also, nehmen wir an, ich habe einen gefunden, der zum Beispiel aussieht wie Robert de Niro. Ich zeige Ihnen den Mann. Sie haben drei Versuche, zu erraten, welchem Prominenten er ähnlich sieht. Schaffen Sie es: Punkt für Sie. Wenn nicht: Punkt für mich. Sie sind erst an der Reihe, wenn Sie einen
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