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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
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erkannt haben – solange darf ich Ausschau halten. Ich gebe zu, es macht nur Spaß, mit jemandem zu spielen, der fair ist. Charline behauptet, ich sei es nicht. Wie sie nur darauf kommt? Ich kenne mich eben gut aus in der Prominenz und schenke auch den weniger erfolgreichen Stars Beachtung. Charlinchens Spielfiguren sind immer offensichtliche Doubles von A-Promis. Bin ich an der Reihe, darf es auch gerne mal ein Z-Promi sein, der in einem Tatort verblutete. Oder ein Statist aus einem Stummfilm der Zwanzigerjahre. Einfach ist langweilig. Ich glaube, Charline hat noch nie gewonnen … oder? … Nee, noch nie!

    »Die Sicherheitsschleuse haben wir fast ohne Verzögerung hinter uns gelassen. Die Szene bei der deutschen Passkontrolle wiederholte sich auf englischem Boden. Diesmal beäugte eine kritische Frau im Wechsel erst mich und dann das Foto. Sie suchte meine Nase nach Narben ab und kam zu dem Schluss, hier hatte ein Meisterchirurg ein Wunder vollbracht. Mit einem undamenhaften Schnaufer zeigte ich ihr, dass mein Riecher auch funktionstüchtig war, und erhielt prompt meine Durchgangserlaubnis.
    Du hattest uns bereits zwei Gepäckwagen organisiert und unsere Koffer vom Laufband gefischt. Jetzt hieß es: Hackengas geben. Gelbe Leuchttafeln wiesen uns den Weg zum Ausgang.«
    Charline und ich unterteilen die Grade von Verspätung in einen Tick später, ein wenig später und etwas später. Klingt alles gleich, beschreibt aber völlig unterschiedliche Zeitzonen. Ein Tick bedeutet: unter einer Stunde. Ein wenig heißt: über einer Stunde, aber unter drei Stunden. Alles, was die magischen drei Stunden überschreitet, buchen wir als etwas ab. Etwas beinhaltet den stillen Zusatz: mehr. Also: etwas mehr. Das mehr muss man sich eben dazudenken.
    »Wir bewegten uns noch im Ein-Tick-Bereich . Ich wäre gern schneller gelaufen, aber mein Gepäckwagen war anscheinend in einem früheren Leben ein Einkaufswagen. Die Räder drehten sich in alle Richtungen, jedes in eine unterschiedliche, aber alle von meinem Kurs abweichend. Ob mein Puls vor Anstrengung, Ärger oder Aufregung raste, konnte ich nicht einordnen. Ich pustete und prustete und hörte jeden meiner Schritte in meinem Kopf widerhallen. Während meines Spurts stellten sich mir und dem Wagen etliche Füße in den Weg. Ich spürte den ein oder anderen Widerstand an den Rollen, überwand aber jeden mit einem kräftigen Ruck. Hinter mir hüpfte eine wutentbrannte Meute von Menschen auf einem Bein. Zum Glück war ich trotz blockierender Räder immer noch schneller als meine hinkenden Verfolger.
    Endlich erspähten wir das große gläserne Ausgangstor. Draußen parkte Troy in unmittelbarer Nähe mit seinem schwarzen Toyota. Er stand lässig an die Fahrertür gelehnt und winkte uns mit Hand und Fuß zu. Wir entledigten uns unserer Wagen. Sofort eilte er herbei und bot seine Hilfe an. Ich gab ihm meinen Koffer. Du musstest deine Sachen selber schleppen.«
    »Danke!«
    »Komm, hätte uns Aaron abgeholt, wäre ich der Esel gewesen. Dafür funktionierte dein Gepäckwagen. Wir wollen doch gerecht bleiben. Er verstaute unseren Kram und verlor nicht ein Wort über unsere Verspätung. Was für ein Gentleman.« Charline gähnt lautstark.
    »Ich setzte mich nach vorne, du dich nach hinten. Das verschaffte mir Gelegenheit, Troy intensiv aus der Nähe zu betrachten. Wow. Er wirkte so geschmeidig, so zart, so weich. Ich stellte mir vor, wie er sich anfühlte, und streckte in Gedanken meine Hände nach ihm aus, die ihn von oben bis unten und zurück abtasteten. Wir fuhren auf direktem Weg zum Hotel. Für eine Stadtrundfahrt blieb keine Zeit. Troy war noch im Dienst. Seine Ticks hatte er erstaunlich gut unter Kontrolle. Dass er überhaupt einen Führerschein hatte, fand ich ausgesprochen mutig. Er ahmte ein paar Tierstimmen nach und klopfte in regelmäßigen Abständen an die Windschutzscheibe, das war alles. Hin und wieder verwies er mit einer kurzen Erklärung auf eine Sehenswürdigkeit. Ich ging jedes Mal in Deckung, weil ich mit einem unkontrollierten Schlag rechnete. Er verzieh es mir mit einem Lächeln. Ich sagte ihm, dass ich die vielen Eindrücke so schnell nicht verinnerlichen konnte. Ich würde mich heute Abend wohl a-l-l-e-i-n auf Sightseeing-Tour begeben müssen, um mir alles genau anzuschauen. Ich wandte mich zu dir um und fragte zwinkernd, ob du das Pfefferspray eingepackt hättest. So a-l-l-e-i-n würde ich mich damit sicherer fühlen, wo doch so viel Gesocks herumliefe. Mann, hatte

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