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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
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Frauen warten – das Thema hatten wir ja schon. Ich ignorierte seinen Tadel und scharrte demonstrativ mit den Füßen. Peter knuffte mich in die Seite. Ich schnappte mir seine Axt und lief ungeachtet meines Schmerzes durch die Reihen nach vorn wie ein Schlachtführer, er hinterher – nur gut, ich hatte nämlich keine Ahnung, wo’s langgeht. Mit Peter, mir und der Axt an der Spitze marschierten wir los.
    Troy taute zusehends auf. Unter Protest von Peter erzählte er Schoten aus ihrer gemeinsamen Schulzeit. Peter ahmte Lehrer und Klassenkameraden nach, auch Troy bekam sein Fett weg. Es war total lustig. Wir hatten einen Mordsspaß, lachten und plapperten alle durcheinander. Auf dem Weg zur U-Bahn -Station nahm Troy meine Hand und ließ sie nicht mehr los. Ich musste mich an seinen Gang gewöhnen, weil er nach jedem zehnten Schritt vorwärts zwei zurück machte. Das war mir vorhin gar nicht aufgefallen. Ich fand es bewundernswert, wie er immer genau zehn Schritte abpasste. Am Anfang habe ich mitgezählt, aber es dauerte nicht lange, da hatte ich den Rhythmus verinnerlicht. Wir gondelten durch die Straßen wie ein kleiner Karnevalszug. Die Leute um uns herum nahmen es gelassen. Großstadt eben. Peter stimmte einen Gassenhauer nach dem anderen an, und wir grölten aus voller Kehle mit. Ich beschränkte meine Einsätze auf die Refrains, weil ich der englischen Sprache nur bedingt mächtig bin. Meine Zurückhaltung erwies sich als lehrreich. Es war überaus interessant für mich, zu erfahren, dass es in dem Tight-Fit-Klassiker The Lion sleeps tonight nicht um einen Löwen ging, der nur bei Licht schlafen konnte – ich sang bis dato nämlich immer The Lion sleeps by light . Schien mir einleuchtend, da Löwen tagsüber gern mal ein Nickerchen in der Sonne machen. Ist ja auch wurst. Wer in Liedtexten nach Logik sucht, wird früher oder später erfolglos aufgeben. Kurz vor unserem Ziel stellten wir unsere Gesänge ein.
    Die U-Bahn -Station lag, wie der Name schon sagt, unterirdisch.« Für Charline bedarf es dieses Hinweises. Denken Sie bitte nicht, sie sei beschränkt, aber mit Abkürzungen hat sie echt ihre Schwierigkeiten. Es fängt bei Autokennzeichen an und hört bei Titeln auf. Es ist eine Schwäche von ihr, die sie schon häufig in Verlegenheit gebracht hat – so wie mich mein mangelnder, oder besser gesagt, überhaupt nicht vorhandener Orientierungssinn. Ich könnte Ihnen an dieser Stelle reichlich Beispiele für Charlines Fehlinterpretationen aufzählen, aber das wäre gemein und würde meine Freundin in ein völlig falsches Licht rücken. Einen Kracher muss ich allerdings loswerden, weil ich ihn so witzig finde, dass ich den Begriff in meinen Wortschatz aufgenommen habe: den ohne Bewegungseinschränkung. Wir Frauen werden ja oft von unseren Monatsblutungen überrascht, so wie Männer von Hochzeitstagen. Man weiß, wann es so weit ist, denkt permanent daran, nur eben nicht an dem Tag. An Bernds vierzigstem Geburtstag traf der Fluch des Vergessens Charline. Wir saßen in einer Runde von zwanzig Leuten an einem Tisch im Esszimmer der Breitschnabels. Die Unterhaltung verlief schleppend, man traute sich kaum, sich zu räuspern, weil jedes Geräusch die Blicke aller Anwesenden auf sich zog. Charline wurde plötzlich bewusst, was sie bei all den Vorbereitungen für die Party vergessen hatte. Aus Angst, jemand könne von ihren Lippen ablesen, worum sie mich bat, flüsterte sie mir ins Ohr, ob ich ihr mit einem ohne Bewegungseinschränkung aushelfen könnte. Sie vermied bewusst das Wort Tampon, weil es jeder kannte. Ihre Interpretation der Abkürzung o. b. schien ihr hilfreich im Verschleiern der blutigen Angelegenheit. »Du willst was?«, fragte ich laut nach. Jeder im Raum schaute sie, gespannt auf ihre Antwort, an. Die Charline oberhalb des Tisches war verlegen bis ins Mark. Der Teil von ihr unterhalb des Tisches versetzte mir einen kräftigen Tritt an die Wade. Als ich daraufhin die Gäste mit einem Schrei aufschreckte, zog sie mich am Ärmel aus dem Raum und machte mir eine Szene. Die Worte Tampon, Blut, Regel, Schmiererei … hallten durch den Flur und zwangsläufig auch unter der Tür durch ins Esszimmer. Den Gästen blieb der Bissen im Halse stecken. Alle Köpfe drehten sich in Richtung Tür. Totenstille drinnen, Gezeter draußen. Bernd sprang auf und hätte beinahe vor Wut die Tür aus den Angeln gerissen. So aufgebracht hatte ich ihn noch nie gesehen. Mit dem Rita-ist-schuld-Blick forderte er uns auf, unsere

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