Auf das Leben
beschädigt, man müsse vorsichtig sein, und … es passierte tatsächlich. Diesmal war er allein, als es passierte. Jedenfalls kam Elizabeth vom Supermarkt zurück und stellte fest, dass niemand ihr aufmachte, und da lag er. Es war zu spät. Ich wurde später am Tag angerufen, nachdem das Krankenhaus die endgültige Diagnose gestellt hatte, und machte mich an den Papierkram, der heutzutage erledigt werden muss.
Ich fuhr zum Krankenhaus. Er war noch immer auf einer Trage in der Notaufnahme. Unter einem Laken. Er sah - nun ja - sehr ruhig aus. Sein Gesicht war wächsern, das Blut hatte begonnen, der Schwerkraft zu gehorchen, nicht der Kraft der versagenden Pumpe, und floss nach unten. In seinem Gesicht spiegelte sich weder Schmerz noch Angst. Was immer geschehen war, war entweder sehr schnell geschehen, oder er hatte ihm ruhig entgegengeblickt.
Um Elizabeth machte ich mir vergleichsweise wenig Sorgen. Hört sich das gefühllos an? Ja, natürlich. Aber sie war jung - erst Mitte dreißig - und besaß nun außer zwei kleinen Töchtern ein umgebautes Landhaus mit doppelt verglasten georgischen Fenstern. Außerdem war da noch die Versicherung. Für sie würde es, da war ich sicher, irgendwie gut ausgehen. Für Steves Mutter empfand ich tieferes Mitleid. Ich glaube nicht, dass sie und Elizabeth jemals wirklich gut miteinander ausgekommen sind. Ich vermute, dass Elizabeth vor ungefähr acht Jahren auf ihren Druck hin konvertierte. Die beiden waren nur durch den Verlust verbunden und durch die Mädchen. Erst jetzt erfuhr ich, dass auch Steves Vater an einem Herzinfarkt gestorben war, dem »Witwenmacher«, als Steve noch ein Junge gewesen war. Vielleicht hatte ihn gerade das angetrieben, erfolgreich zu sein, viel Geld zu verdienen, etwas zu ersetzen, was er in seinem Leben vermisste. Vielleicht wollte er sich sein eigener Vater sein.
Es war eine große Beerdigung. Steve war ziemlich beliebt gewesen.
»Eine zweite Runde«, sagte ich. »Dies ist das zweite Mal, dass Steve gestorben ist. Beim ersten Mal ist er zum Leben hier, auf der Erde, erwacht, aber diesmal …« Ich ließ eine Stille folgen. »Diesmal war er bereit«, sagte ich. »Es gab hier Dinge und Menschen, die er nicht verlassen wollte, Dinge und Menschen, von denen er wusste, dass er sie vermissen würde und sie ihn. Wie wir es alle tun, hier, heute. Aber - bei der zweiten Runde - das war seine Formulierung, wie wir alle wissen - war er bereit für das, was kommen würde.«
Und so ging er. Diesmal endgültig. Wo das auch ist, wir werden alle dort hingehen, früher oder später.
In Unschuld wiegen
Wie beerdigt man einen Sumo-Ringer? Gibt es spezielle Beerdigungsunternehmen, die besondere Geräte haben, mit denen man einen solchen Koloss heben, waschen, einsargen und mit einem Mindestmaß an Würde unter die Erde bringen kann? Und wenn er verbrannt werden möchte, gibt es für solche Fälle extra große Krematorien? Ich nehme an, es muss irgendwo Firmen geben, die in der Lage sind, solche Situationen zu handhaben. Schließlich müssen auch Nutztiere gelegentlich entsorgt werden und in Zeiten infektiöser Erkrankungen auch verbrannt.
Naheliegenderweise gibt es eine Menge Dinge, um die man sich einfach keine Gedanken macht - bis es notwendig wird. In unserem Fall ergab sich die Notwendigkeit, weil die alte Mrs Sonderhaus starb. In voller Größe und vor allem: Breite.
Ich hatte die alte Mrs Sonderhaus nur einmal getroffen, aber jedem, der sie gesehen hatte, blieb sie unvergesslich. Zu dem Zeitpunkt, als ich sie traf, hatte die Ärmste schon bald zehn Jahre in ihrem Bett verbracht. Sie war unter anderem durch das Gesetz der Schwerkraft daran gefesselt. Mrs Sonderhaus, um es in einem Wort zu sagen, war dick. Nein, dieser Ausdruck ist nicht korrekt. Sie war riesig, sie war enorm, sie war unglaublich umfangreich. Sie war nicht wie ein Berg geformt, sondern wie eine ganze Bergkette. Irgendwann in ihrem Leben muss Florrie Sonderhaus vermutlich kleiner gewesen sein und in den Uterus ihrer Mutter gepasst haben. Auch wenn sie bestimmt ein großes Baby gewesen war, musste sie einmal ein Baby gewesen sein. Damals.
Und ich nehme weiter an, dass Florrie in früheren Zeiten gut gebaut gewesen sein musste, zumindest wird sie eine gewisse sexuelle Attraktivität besessen haben. Schließlich hatte Lawrence Sonderhaus sie geheiratet und irgendwie zwei Kinder mit ihr gezeugt - der Sohn war im Krieg gefallen, die Tochter lebte in Amerika. Lawrence war
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