Auf & Davon
Stapel Akten zu jedem einzelnen Agenten vorliegen, der während der letzten zehn Jahre im New Yorker Büro gearbeitete hatte, einschließlich seiner eigenen. Die würde er sich vornehmen, sobald er mit den alten Fällen fertig war, und eine Liste aller Orte zusammenstellen, wo die jeweiligen Agenten vor ihrer Versetzung nach New York gearbeitet hatten. Er brauchte nur einen Mord zu finden, der in ihre Serie passte—was leichter gesagt als getan war, wo ihr Mörder schließlich keinen nennenswerten Modus Operandi hatte—und dann die jeweiligen Einsatzorte damit abzugleichen.
„Dieser Scheiß ist einfacher, wenn ein Computerfreak die Arbeit macht“, grummelte er um den Stift herum, den er im Mund hatte. Zane schaute kurz auf, schnaubte leise und wandte sich dann wieder seinen Notizen zu.
Ty warf ihm einen Blick zu, runzelte unbewusst die Stirn und blickte dann wieder auf die Akte, die er in der Hand hatte. Darin ging es um einen ungelösten Mordfall in Baltimore vor ungefähr fünf Jahren. Als er weiterlas, wurde die Falte zwischen seinen Augenbrauen immer tiefer. „Das kenn‘ ich doch“, murmelte er, während er durch die Seiten blätterte. „Jesus, daran kann ich mich erinnern“, brummte er vor sich hin. „Neunzehnter Januar“, fuhr er fort, ohne sich darum zu kümmern, ob Zane ihm zuhörte oder nicht.
Das Opfer war auf dem Campus der juristischen Fakultät der Universität von Maryland gefunden worden. Der Mann war an Alkoholvergiftung gestorben. Zuvor war er anscheinend hinter einem kleinen, langsam fahrenden Fahrzeug her durch die Straßen geschleift worden. Das wirklich Interessante an dem Fall, woran Ty sich auch erinnerte, war die Identität des Opfers. Angeblich hatte es sich bei dem Mann um den berüchtigten „Poe Toaster“ gehandelt, einen Mann, der seit 1949 jedes Jahr das Grab des Schriftstellers Edgar Allen Poe besuchte und mit Cognac einen Toast auf ihn ausbrachte. Diese Besuche, die sogar von zahlreichen Einwohnern Baltimores beobachtet worden waren, hatten nach jenem Jahr aufgehört.
„Hast du was Interessantes gefunden?“, fragte Zane, der Ty beobachtet hatte.
Ty antwortete mit einem Grunzen. Ein Stück Papier hatte sich zu dem Bleistift in seinem Mund gesellt, er hatte die Akte auf seinem Schoß ausgebreitet und hielt in jeder Hand mehrere Blatt Papier. Ohne von seiner Lektüre aufzublicken, winkte er Zane zu und deutete dann nach unten.
Mit einem beinahe liebevollen Lächeln, das er gewaltsam unterdrücken musste, trat Zane zu Ty und nahm ihm Stift und Papier aus dem Mund. Er schaute auf die Akte hinab. „Juristische Fakultät der Universität von Maryland, was?“
„Ich erinnere mich an den Fall“, sagte Ty. „Der passt in unsere Serie wie eine Eins. Leider wirkt der Mord genauso zufällig wie bei den neueren Fällen. Aber es wurde ein gefälschter Beweis hinterlassen“, sagte er beinahe aufgeregt und deutete auf die Notizen in der alten Akte. „Ein Federkiel. Jetzt wissen wir also, dass er in Baltimore war“, verkündete er in fast überraschtem Tonfall.
„Falls er in Baltimore auf der Universität war, könnte er sich direkt nach seinem Abschluss beim FBI beworben haben“, murmelte Zane. „Oder er könnte in die Forensik oder in den Polizeidienst gegangen sein. Da gibt es auch genügend Berührungspunkte mit dem FBI.“
„Wir sollten mit allen Agenten, die 2004 in Baltimore waren, die Gegenprobe machen“, schlug Ty vor.
Zane nickte zustimmend. „Hört sich an, als könnten wir hier einen Durchbruch schaffen.“
„Da“, brummte Ty und gab ihm die Akte. „Guck mal rein.“
Zane nahm die Akte mit zurück an seinen Platz und begann darin zu lesen.
„Ich kann mich noch erinnern, wie das passiert ist.“ Ty stand auf und ging im Zimmer auf und ab, während er sprach. „Weißt du, das Opfer, das war dieser ‚Poe Toaster‘—also, eigentlich war der hier ja der Enkel. Sein Großvater war der, der sich als erster jedes Jahr an Edgar Allan Poes Geburtstag auf den Friedhof geschlichen und ihm mit Cognac zugeprostet hat. Manchmal hat er auch Notizen hinterlassen. Na ja, dieser Typ hier hat 1999 damit angefangen, nachdem sein Vater gestorben war, und er hat ausgefeiltere Notizen hinterlassen. In einem Jahr hat er geschrieben, dass französischer Cognac nicht gut genug sei für Poe; das war gleich nach dem 11. September, als die Franzosen sich geweigert hatten, sich an der Jagd nach den Terroristen zu beteiligen. Später, im gleichen Jahr, hat er dann noch eine
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