Auf & Davon
trotzdem. „Wir könnten uns ja auch einfach irgendwo treffen“, bot er an. Er stieg auf das Motorrad, drehte den Schlüssel und der Motor erwachte zum Leben—mit einem grollenden, rollenden, wunderschönen Schnurren, genau wie Zane gesagt hatte.
„Bei mir zu Hause“, antwortete Ty sofort. „Ich muss sowieso nach Hause, meinen Kram holen.“
Zane saß breitbeinig auf dem Motorrad und zog sich die Handschuhe an. Er warf Ty einen Blick zu. „Und wo ist zu Hause?“, fragte er. „Willst du mich wirklich dort haben, oder soll ich uns nicht lieber irgendwo in einem Hotel was buchen?“
Ty seufzte tief und musterte Zane von Kopf bis Fuß, wie er da so auf seinem Motorrad saß. „Ja“, murmelte er beinahe niedergeschlagen. „Ich will dich dort haben“, bekräftigte er dann.
Unter Tys unverhohlen anerkennendem Blick breitet sich langsam ein Lächeln über Zanes Gesicht. Vielleicht waren sie ja doch noch auf derselben Wellenlänge. „Sag mir, wo ich hin muss“, verlangte er. „Es sei denn, du willst es dir nochmal überlegen…“, er deutete mit dem Kopf auf den Soziussitz.
„Meine Würde und mein gesunder Menschenverstand lassen das nicht zu“, antwortet Ty und nickte in Richtung Ausfahrt. „Fahr mir nach“, sagte er lapidar, drehte sich um und ging los Richtung Tageslicht.
Zane lachte leise. Er wartete noch einen Moment und folgte ihm dann im Schritttempo. Nach einer grauenhaften Fahrt durch den Washingtoner Verkehr kamen sie nach Baltimore, wo sie über Kopfsteinpflaster durch das enge Straßengewirr der Altstadt zu Tys Haus holperten. Zane parkte auf dem Gehweg vor dem Reihenhaus, während Ty den saftigen Fahrpreis des Taxis bezahlte.
Ty trat zurück und sah dem davonfahrenden Taxi nach, dann drehte er sich langsam zu Zane um. Während er auf ihn zuging, legte er den Kopf schief und verengte die Augen. Direkt vor Zane blieb er stehen, Hände in den Hosentaschen. „Die Jacke kenn‘ ich doch“, murmelte er.
Das Leder war brüchig und abgewetzt vom vielen Tragen, die Jacke war hier und da ein wenig zerschrammt oder eingerissen und hatte in einem Ärmel einen tiefen Riss. Abgenutzt, aber geliebt. „Ach, was du nicht sagst“, erwiderte Zane unschuldig.
„Ich hätte besser darauf aufgepasst“, gab Ty geringschätzig zurück. Er hob die Hand und berührte den Riss im Ärmel, der deutlich frischer aussah als die restlichen Einrisse und Schrammen. „Ist das neu?“, fragte er ernst.
Zane blickte auf seinen Arm. „Von gestern Abend. Da war ich wohl zu langsam. Nicht mal ich kann zwei Kugeln zugleich ausweichen.“
Ty schnalzte mit der Zunge und schüttelte traurig den Kopf. „Bist also wohl doch nicht so gut wie ich dachte.“ Mit einem kummervollen Seufzer zog er den Schlitz im Leder weiter auseinander und warf einen prüfenden Blick auf Zanes Arm darunter.
Zane schüttelte den Kopf, hielt ihm aber bereitwillig den Arm hin. Er trug dort immer noch eine weiße Mullbinde, sie schaute unter dem roten T-Shirt hervor, das er unter der Jacke trug. Er hatte allerdings nicht gewusst, dass sich auf der weißen Gaze inzwischen dunkle Blutflecken zeigten. Seit seiner Frühstückspause vor ungefähr zehn Stunden hatte er nicht mehr nach der Wunde gesehen.
„Du blutest“, erklärte Ty sachlich und deutete mit dem Kopf auf die Eingangstür. „Komm rein. Ich kipp‘ dir einen Schuss Franzbranntwein drüber, dann ist mir wohler“, verkündete er grinsend.
„Willst du, dass dir auch noch das Trommelfell platzt?", murrte Zane mit verdrossenem Gesicht. „So kriegst du mich nämlich endlich mal zum Schreien.“ Er legte schützend die Hand über die Wunde.
„Bonus“, gurrte Ty, fasste Zane am unverletzten Arm und führte ihn gewaltsam zu Tür. Zane grummelte vor sich hin, wehrte sich aber nicht, als Ty ihn hinter sich her zerrte. „Du siehst aus, als hättest du raue Zeiten hinter dir“, bemerkte Ty, während er die Tür aufschloss. „Warst du undercover?“
„Ja“, sagte Zane. Er schaute Ty einfach nur an, versunken in seinen Anblick. Während der vergangenen vier Monate hatte er so oft an ihn gedacht, er konnte es noch gar nicht richtig glauben, dass er ihn jetzt wirklich leibhaftig vor sich hatte. „In der Innenstadt von Miami.“
„Aha, daher der Akzent. Pure Zeitverschwendung, wenn du mich fragst“, brummte Ty, stieß die Tür auf und winkte Zane hinein. „Miami kannst du nur noch retten, indem du den ganzen Scheiß in die Luft jagst.“
„Wie wahr“, stimmte Zane achselzuckend
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