Auf & Davon
zu. „Vermutlich war’s dazu gedacht, dass ich beschäftigt bin und Burns mich vom Hals hat.“ Er ging ins Haus und blieb nach ein paar Schritten im Wohnzimmer stehen. Die makellosen Räume bildeten einen krassen Widerspruch zu der Fassade, die Ty aller Welt präsentierte. Die Möbel sahen bequem und gepflegt aus—ganz zu schweigen davon, dass sie sogar zueinander passten—und alles schien exakt an seinem Platz zu sein. An den Wänden des kleinen Wohnzimmers entlang waren gerahmte Schwarzweißfotos aufgereiht, alle in identischen Rahmen. Die Bilder erzählten die Geschichte von Tys Leben und seiner Karriere; sie zeigten ihn lächelnd oder lachend an der Seite von verschiedenen schwerbewaffneten, uniformierten Individuen an diversen exotischen und nicht so exotischen Orten. Auf einigen anderen waren vermutlich die Mitglieder von Tys Familie abgebildet, dachte Zane.
Ty beobachtete Zane von hinten, ließ ihn ungestört alles anschauen. Zanes Lippen waren fest zusammengepresst. „Bist du sicher, dass wir im richtigen Haus sind?“, fragte er schließlich. Herrgott. Dies hier ähnelte in keinster Weise dem, was er von Ty erwartet hätte. Zumindest nicht von dem Mann, für den er Ty bisher gehalten hatte. Der Mann, den er kennengelernt hatte, war noch tiefer gespalten, als Zane es je vermutet hätte.
Ty runzelte die Stirn. „Ich hab’s eben gern ordentlich“, verwies er sanft.
Zane warf ihm ein schiefes Grinsen zu. „Ich geh‘ gleich im Schlafzimmer nachsehen, ob du auch das Laken ordentlich straffgezogen hast, Marine.“ Er zog den Reißverschluss seiner Jacke auf und ließ sie sich von den Schultern gleiten, wobei er den Verband festhielt.
„Mein Bett ist so straff gemacht, da kannst du eine Münze drauf springen lassen“, prahlte Ty, ging in die Küche und an das antike metallene Erste-Hilfe-Schränkchen unter der Spüle. Das rote Kreuz vorne drauf war verblasst und abgeschabt, das Schränkchen selbst verbeult und zerschrammt, doch der Inhalt war ganz modern. Ty machte die Tür auf und holte Gaze, Pflaster und eine Dose mit Rawleighs Antiseptischer Salbe heraus.
Zane warf seine Jacke über den Küchentresen, ließ sich auf einen Hocker fallen und schob seinen Ärmel hoch. Er riss mit einem Ruck den Verband ab, zog eine Grimasse und polkte an der tiefen, nässenden Furche herum. Die Wunde war gut acht Zentimeter lang und ging quer über seinen Oberarm; die Kugel hatte einen anständigen Brocken Fleisch herausgerissen. Wahrscheinlich wäre es gar nicht so dumm gewesen, das nähen zu lassen
Ty warf einen Blick auf die Wunde und stöhnte leise auf. „Was soll der Scheiß?“, murrte er. „Das flick‘ ich doch nicht an meinem Küchentisch zusammen. Dafür brauchst du einen Arzt.“
„Mach‘ einfach einen Verband drauf“, sagte Zane eigensinnig. „Auf eine Narbe mehr oder weniger kommt’s nicht an.“
Ty runzelte skeptisch die Stirn, aber dann schnitt er sich ein paar Pflasterstreifen zurecht und klebte sie an die Kante der Arbeitsplatte. Er fragte Zane gar nicht erst, ob er die Wunde berühren durfte, sondern machte einfach die Salbendose auf und strich einen Großteil des Inhalts in den Schnitt. Er arbeitete rasch, drückte schließlich die Wunde zusammen, legte ein Stück Gaze darüber und verklebte die Wundränder mit Pflaster, so dicht er konnte. Dann wickelte er wortlos eine frische Mullbinde um das Ganze. Zane ließ alles mit zusammengebissenen Zähnen regungslos über sich ergehen. Es tat weh. Verdammt weh.
„Glas Wasser?“, bat er, nachdem Ty fertig war.
Ty nickte nur und holte ein Glas aus einem Schränkchen neben dem Kühlschrank. Er füllte es aus einer Flasche, die auf der Arbeitsplatte stand, und reichte es Zane wortlos. Zane griff nach seiner Jacke, holte ein verbeultes Röhrchen Tylenol aus einer Tasche, schüttelte zwei Tabletten heraus und schluckte sie.
Ty sah ihm stirnrunzelnd dabei zu. „Machst jetzt einen auf ganz harter Typ, was?“, fragte er sarkastisch. „Möchte wetten, auf die Tour hattest du in Miami jede Menge Action“, brummte er.
Zane senkte das Glas und maß Ty mit einem abschätzenden Blick, während dieser die Flasche wegstellte. „Kommt darauf an, was du unter Action verstehst“, sagte er bewusst vage. Es konnte natürlich sein, dass Ty mit „Action“ Schlägereien meinte. Möglicherweise. Wenn Ty allerdings immer noch der Alte war… meinte er das nicht.
Ty zog eine Augenbraue hoch und zuckte die Achseln. „Wenn du öfter als einmal Papi genannt
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