Auf & Davon
Zeit, sich seinen neuen Partner richtig anzuschauen. Der Anzug hatte das bisher verborgen, aber er hatte unbestreitbar eine ziemliche Menge imposanter Muskeln. Und er war so sexy, wie so ein wichtigtuerischer Schreibtischhengst nur sein konnte. Wenn er nicht gerade blutverschmiert war.
Er schob den Gedanken mit einem Achselzucken von sich und trat näher, kniete sich neben das Bett und stellte das Wasser neben sich auf den Boden. „Ich habe nur Jod zum Desinfizieren da“, eröffnete er Zane, während er die Wunden prüfend musterte. „Das wird brennen.“
„Okay, was ist schon ein bisschen mehr Schmerz?“ presste Zane zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und drückte das Kissen fester an sich.
Ty schwieg, während er bedächtig einige Handtücher unter Zanes Körper schob, um die Schweinerei aufzusaugen, die das herablaufende Wasser machen würde. „Es gehört viel Kraft dazu, nein zu sagen, wenn man nicht muss“, murmelte er schließlich, als er das Blut mit einem feuchten Waschlappen abzuwischen begann. „Ich respektiere das, falls dir das etwas bedeutet.“
Eine Zeitlang blieb Zane still, während der kühle Lappen behutsam über seinen Rücken fuhr. „Danke“, sagte er schließlich leise. Ein große Glas Whisky, wäre das jetzt nicht genau das Richtige? Oder eine Handvoll Vicodin. Ach zur Hölle, sogar Ibuprofen. Vielleicht sollte er sich das mit dem Ibuprofen noch einmal ernsthaft überlegen. Da gab es noch mehr, wozu er auch nein sagte… meistens, wenigstens. Er war besser dran, wenn er über manches nicht zu genau nachdachte. Über den Mann hinter ihm, zum Beispiel. Zane konnte seine Körperwärme spüren.
Er verstummte für eine Weile, bevor er wieder etwas sagte. In seiner Stimme lag weder Selbstmitleid noch Selbstironie; es schwang allenfalls ein etwas kühler, klinischer Ton darin mit. „Ich sage zu vielen Dingen nein“, murmelte Zane, ohne dabei über Tys Reaktion nachzudenken. „Ist allerdings nicht so, als ob das irgendjemanden groß interessieren würde.“
„Willst du damit sagen, dass es dir selber auch egal ist?“, fragte Ty neugierig.
Seufzend drückte Zane seine Wange in das Kissen. „Mir ist es nicht egal. Sonderlich motiviert bin ich allerdings auch nicht. Zum Beispiel rühre ich nur deshalb keinen Alkohol an, weil ich einen Job behalten will, den ich liebe. Aber das heißt nicht, dass es mich kümmern würde, ob ich mir das Hirn absaufe oder nicht. Ich bin wohl seit meiner Jugend ziemlich selbstbezogen geworden.“
„An Selbstbezogenheit gibt’s nichts auszusetzen“, sagte Ty und wischte ein letztes Mal über Zanes Rücken. Dann legte er den Waschlappen beiseite und griff nach dem Jod. „Ich könnte auch einfach Salbe drauf tun“, bemerkte er und schaute das Jodfläschchen zweifelnd an.
„Kompromiss“, sagte Zane. „Nimm das Jod für die schlimmsten Stellen, damit die sich nicht entzünden. Für den Rest reicht wahrscheinlich auch die Salbe.“
„Oo-kay“, brummte Ty, und dann strich er rasch Jod auf die tieferen Schnitte. „Warum hast du eigentlich getrunken?“, fragte er plötzlich.
Zur Antwort verspannten sich Zanes Schultern.
„Musst nicht antworten“, fuhr Ty mit einem achtlosen Schulterzucken fort. „Bin nur neugierig.“
Zane presste die Lippen zusammen. „Meine Frau wurde bei einem Autounfall getötet", sagte er tonlos. „Ich war damals ständig im ganzen Land unterwegs. Hatte sie davor einen Monat lang nicht gesehen.“
Ty schürzte die Lippen und machte mit dem Jod weiter. Sein Blick wanderte zu dem Ring an Zanes Finger „Mein Beileid.“
Zane atmete gepresst aus.“Ich bin damals irgendwie… außer Kontrolle geraten. Klingt wie ein Klischee, ich weiß, aber so war es.“
„Kommt vor“, erwiderte Ty mit einem weiteren emotionslosen Schulterzucken.
„Hier bin ich nun: Witwer, Alkoholiker, Süchtiger, ein Arschloch wie aus dem Bilderbuch, der nur aus Willenskraft, purer Angst und unter Androhung von Gefängnis clean geworden ist. Ist ja wohl kein Wunder, dass es mir gegen den Strich geht, wenn du mich einen Waschlappen nennst“, murmelte Zane.
„Ich würde nicht viel von dir halten, wenn’s nicht so wäre“, antwortete Ty, offen gesagt etwas überrascht über die Beschreibung, die Zane von sich selbst gegeben hatte. „Und wir haben alle unsere traurigen Geschichten. Nichts, wofür man sich schämen müsste. Wenn man ein Waschlappen ist , dafür sollte man sich schämen.“
„Ich bin kein echter Waschlappen“,
Weitere Kostenlose Bücher