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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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im Universum festgelegt sein. Also stellt sich das Problem: In Bezug auf was ist etwas beschleunigt? Hier taucht plötzlich wieder das Universum auf: Bedeutet Masse vielleicht, dass ein Gegenstand sich der Beschleunigung relativ zu allen anderen Massen im Kosmos widersetzt? Auch dieser hochintelligente und grundlegende Gedanke geht auf Ernst Mach zurück, und er rüttelt an unserem Weltbild, indem er die Natur der Masse über die Beschleunigung mit dem Rest des Weltalls verbindet.
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    … musste jeder naive Mensch sich fragen: Gegen was führt nun … die Bahnellipse diese Drehung aus? Der Zusammenhang mit … den Fixsternmassen war in die Rechnung überhaupt nicht eingegangen. – Erwin Schrödinger, 1925
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    Vielleicht sollte ich hier ein paar Worte über Machs eigenartige Reputation sagen. Mit seinem Rauschebart scheint er mir in der Physik eine ähnliche Rolle auszufüllen wie Freud in der Medizin – seiner Zeit voraus und vor allem von denen als antiquiert eingeschätzt, die ihn nicht verstanden haben. Jedenfalls blieb mir der Mund offen stehen, als ich zum ersten Mal folgende Kritik von einem Astronomen hörte: „Mach? Was wollen Sie denn mit dem, der hat doch noch nicht mal kapiert, dass es Atome gibt!“ Daran ist richtig, dass es Ende des vorvergangenen Jahrhunderts eine Diskussion zwischen Ernst Mach und Ludwig Boltzmann über die thermodynamischen Eigenschaften von Materie gab, in der Boltzmann mit seiner Erklärung durch Atome recht behielt. Nur: Man halte sich vor Augen, dass um 1890 ein naives Teilchenbild von Materie herrschte, das durch die von der Quantenmechanik offengelegte Wellennatur zwei Jahrzehnte später völlig zertrümmert wurde. Mach hatte also mit seiner Skepsis gegenüber einer Bauklötzchenstruktur der Natur auch recht. Aber die zitierte Kritik an Mach hat noch eine viel absurdere Komponente: Es gibt keinen großen Physiker, der sich nicht irgendwo geirrt hat, und oft bis hin zum Eigensinn. Planck glaubte zu wenig an seine größte Entdeckung, das Wirkungsquantum, Einstein bekämpfte zu Unrecht den Zufall in der Natur, Dirac spekulierte über nicht existierende magnetische Monopole, Heisenberg scheiterte an einer einheitlichen Theorie, Bohr verlor sich in metaphysischen Interpretationen der Quantenmechanik.
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    Wenn weise Männer nicht irrten, müssten die Narren verzweifeln. – Johann Wolfgang von Goethe
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    Und Mach glaubte nicht an Atome. Na und? Tut das ihren Leistungen Abbruch? Gegen solche Irrtümer gibt es nur eine Versicherung: Gar nicht nachdenken und mit der Mehrheit schwimmen. Mach traute sich dagegen, ein Konzept der Über-Autorität Newton in Frage zu stellen, und vielleicht hat er dabei sogar einen Aspekt tiefer durchdrungen als Einstein. Wenn Sie jedenfalls ein ironisches Lächeln wahrnehmen, mit dem ein Gesprächspartner sein Desinteresse an ‚altem philosophischen Kram‘ wie dem Machschen Prinzip zeigt, dann ist das vor allem eines: Symptom einer Arroganz der Gegenwart, einer der ernsten Krankheiten der heutigen Physik.
RÄTSELHAFTE GLEICHHEIT
    Ohne Mach hätte sich die Erkenntnis kaum verbreitet, dass allein schon der Begriff der Trägheit (gegenüber einer Beschleunigung) die Masse definiert – die herkömmliche Bestimmung über eine Gewichtswaage brauchen wir dazu gar nicht! Die Gewichtskraft, genauer gesagt die gravitative Anziehungskraft zwischen zwei Körpern, ist auf den ersten Blick völlig unabhängig von der Trägheit, die der Kugelstoßer spürt. Umso überraschender ist es daher, dass diese Kraft nicht von einer weiteren Eigenschaft wie zum Beispiel der Ladung abhängt, sondern nur von der Masse, einem Begriff, der ja schon über die Trägheit definiert ist. Den für die Gravitation verantwortlichen Teil bezeichnet man daher zutreffend als schwere Masse. Und dennoch zeigen uns alle Experimente perfekte Übereinstimmung zwischen träger und schwerer Masse – irre! Einstein hatte dies intuitiv erfasst und baute auf dieser Gleichheit, genannt Äquivalenzprinzip, seine Allgemeine Relativitätstheorie, schon bevor er jene Experimente kannte. Zwei Arten von Massen widersprachen seiner Vorstellung von Einfachheit: 61 „Dieser Satz von der Gleichheit der trägen und schweren Masse … leuchtete mir nun in seiner tiefen Bedeutung ein.“
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    Freilich war mir Machs Auffassung bekannt geworden, nach der es als denkbar erschien, daß der Trägheitswiderstand nicht einer Beschleunigung an sich, sondern einer Beschleunigung gegen die Massen der

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