Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
hundert Jahren wird als wichtigster Beitrag des CERN zur Teilchenphysik das World Wide Web gelten.
TEIL 6: IM KOSMOS
KOSMISCHE LEUCHTFEUER QUASARE: STIMMT DAS RATING?
In der Astrophysik geraten oft kryptische Zeichenkombinationen zu Berühmtheit – eine davon ist 3C48. Es handelt sich um die Katalognummer eines Objekts, das Astronomen in den 1960er Jahren mit den damals neuartigen Radioteleskopen registriert hatten, aber man wurde aus der punktförmigen Strahlungsquelle zunächst nicht schlau. Schließlich gelang es, von 3C48 auch ein Spektrum des sichtbaren Lichts zu gewinnen, also ein Diagramm, das zu jeder Wellenlänge die Lichtintensität zeigt. Der britische Astronom John Bolton kam dann als Erster auf die Idee, dieses Licht könnte gegenüber den bekannten Lichtwellenlängen ins Rote verschoben sein.
Dies klang aber so fantastisch, dass es niemand recht glaubte, denn eine rotverschobene Lichtwellenlänge bedeutete – ähnlich wie der tiefere Ton eines Geräuschs, das sich von uns wegbewegt – in diesem Fall eine enorme Geschwindigkeit, mit der sich die Radioquelle von der Erde wegbewegen musste, schneller, als es innerhalb der Milchstraße denkbar war. Solch eine Fluchtgeschwindigkeit konnte nur von der Expansion des Universums selbst herrühren. Edwin Hubble hatte im Jahr 1929 entdeckt, dass Galaxien sich umso schneller von uns fortbewegen, je weiter sie weg sind, was kosmologische Rotverschiebung genannt wird – seitdem erschließt man aus der Geschwindigkeit die Entfernung. Von dem punktförmig wie ein Stern aussehenden Objekt, das heute Quasar oder QSO ( quasi-stellar object ) genannt wird, meinte Bolton also, es liege außerhalb der Galaxis. Recht bekam er schließlich durch Maarten Schmidt, der an dem Quasar 3C273 nachwies, dass die in irdischen Laboren gemessenen Wasserstoff-Spektrallinien um 15,8 Prozent ins Rote verschoben waren, was einer Entfernung von gut zwei Milliarden Lichtjahren entspricht – tausendfach weiter weg als die Andromeda-Galaxie! Quasare waren etwas ganz Besonderes. Und ihre so großen Entfernungen werfen immer noch viele Fragen auf.
(14) Edwin Hubble
Die Identifizierung der Quasare war natürlich nur möglich, weil Edwin Hubbles Entdeckung von 1930 die Kosmologie mit dem Bild des expandierenden Weltalls revolutioniert hatte. Übrigens bedeutet die Bewegung der Galaxien von uns weg dabei nicht, dass unser Standort irgendwie ausgezeichnet wäre. Wir müssen die Position der Milchstraße eher als einen von vielen Punkten auf einem Luftballon auffassen, der gerade aufgeblasen wird. Alle Punkte entfernen sich von allen anderen: Das symbolisiert die Expansion des Universums, nur eben zweidimensional auf einer Gummihaut.
Die Kosmologen interessiert besonders, wie schnell diese Expansion vor sich geht, weil man so das Alter des Universums abschätzt – man rechnet zurück zu dem gedachten Moment, in dem der Luftballon punktförmig war. Nach vielen Kontroversen geht man heute von einem Weltalter von etwa 14 Milliarden Jahren aus. Man bestimmt es mit verschiedenen Methoden: Die hellen Supernova-Explosionen, aber auch die Farben von Kugelsternhaufen und die Leuchtkraft von Galaxien erlauben es, das Alter des Universums zu messen. Nur eine Art von Objekten ist dazu ziemlich untauglich – Quasare!
HUBBLE SIEHT ROT
Das überrascht, denn wenn man vereinfachend annimmt, alle Quasare seien gleich, könnte man aus ihrer relativen Helligkeit leicht die Entfernung errechnen – so, wie mit einem Fotometer die Distanz einer Glühbirne bestimmt werden kann, wenn man weiß, dass sie 40 Watt aussendet. Sowohl mit Galaxien als auch mit Supernovae bestimmt man auf diese Weise die Ausdehnungsrate, auch Hubble-Konstante genannt. Seltsamerweise sind Quasare aber offenbar nicht gleichmäßig im Universum verteilt, man spricht sogar von einer ‚Epoche‘ von Quasaren im Bereich einer bestimmten Rotverschiebung, in dem sich besonders viele befinden – bei Galaxien hingegen gibt es keine solche zeitliche Konzentration.
Noch mehr irritiert, dass von den Quasaren mit der allergrößten Leuchtkraft, die zehntausendfach heller als Galaxien sind, 196 keine in unserer Nähe anzutreffen sind – die zehn hellsten überhaupt sind alle mehr als fünf Milliarden Lichtjahre entfernt. Anders formuliert – denn weit weg bedeutet ja auch einen Blick in die Vergangenheit – sind die sehr leuchtkräftigen Exemplare offenbar schon vor 2 bis 3 Milliarden Jahren erloschen. Dafür muss es einen Grund geben, und
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