Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
wegen dieser Auffälligkeit haben auch viele Astronomen die große Entfernung der Quasare angezweifelt, die uns die starke Rotverschiebung ihrer Spektrallinien glauben macht. Ist diese Rotverschiebung wirklich rein kosmologischer Natur, oder könnten auch andere Mechanismen verantwortlich sein? Außer der beschriebenen Widersprüchlichkeit gibt es dafür aber wenig konstruktive Anhaltspunkte.
WACKELIGER KONSENS ÜBER DIE HÖLLENMASCHINEN
Zur Zeit ihrer Entdeckung verstand man nicht, warum Quasare überhaupt so hell waren: Der übliche Prozess der Kernfusion von Wasserstoff zu Helium in Sternen, bei dem knapp ein Prozent der Masse nach Einsteins Formel E = mc 2 in Energie umgewandelt wird, reicht in keiner Weise aus, die Leuchtkraft zu erklären, die noch dazu von einem sehr kleinen Raumgebiet ausgeht. Vielmehr ist dafür erforderlich, dass sich etwa 6 bis 10 Prozent der Masse in Energie umwandeln, was nur möglich ist, wenn Materie in ein Schwarzes Loch stürzt und diesen Anteil als verzweifelte Hilferufe ins All strahlt – so jedenfalls die Vorstellung.
Eine weitere Besonderheit von Quasaren ist, dass sie gewaltige Materieströme ins Weltall schleudern, die aus dem Kern in entgegengesetzte Richtungen entweichen – sogenannte Jets. Diese können sich über Hunderttausende von Lichtjahren erstrecken, und auch sie ließen die Astronomen zunächst an den großen Entfernungen zweifeln, weil die Materie sich darin schneller als Licht zu bewegen schien. Später fand man heraus, dass dies ein Projektionseffekt sein kann, wobei man allerdings annehmen muss, die Jetrichtung sei nahe an der Sichtlinie.
Quasare haben also eine ziemlich kontroverse Entwicklungsgeschichte hinter sich, jedoch sind die Meinungsverschiedenheiten weitgehend beigelegt, seit man einige Quasare identifiziert hat, die die exakt gleichen Rotverschiebungen aufwiesen wie die Galaxien, in deren Zentrum man sie fand. Es scheint also zu stimmen, dass Quasare Kerne von Galaxien sind. Allerdings können es sich diese nach den Modellen nur in jungen Jahren leisten, mit dem Verheizen von Materie eine so riesige Leuchtkraft zu produzieren.
Gerade dann, wenn sich ein wissenschaftlicher Konsens entwickelt hat, ist es jedoch wichtig, dass man alle Daten im Auge behält. Auf die Quasare wurde ich durch Martín López Corredoira aufmerksam, einen spanischen Astronomen, von dem ich einen originellen Artikel 197 über Soziologie in der Physik gelesen hatte. Nachdem wir etwas korrespondiert hatten, rief ich ihn einmal an, um mir eine Helligkeitskorrektur für entfernte Galaxien erklären zu lassen, bei der ich in einem Auswertungsprogramm einen Fehler gemacht hatte, und so kamen wir auf Quasare zu sprechen, über die er gerade einen Übersichtsartikel verfasst hatte. 198 López Corredoira hat einen erstaunlichen Überblick und wirft Fragen auf, auf die andere gar nicht kommen – seine Ansichten zu Quasaren sind ausgesprochen spannend. Ärgerlich ist, dass Forscher wie er lange auf eine Daueranstellung warten müssen – in einem Artikel Was Kosmologie und das älteste Gewerbe der Welt gemeinsam haben 199 und in seinem Buch Against the Tide hatte er über seine Zunft vielleicht ein paar Wahrheiten zu viel geäußert.
In seinem Artikel über Quasare wird auch eine Diskussion beschrieben, die noch immer aktuell ist. Ausgelöst hatte sie in den 1970er Jahren Halton Arp, damals einer der führenden Kosmologen, mit seinem Buch The redshift controversy , in dem er das ganze Paradigma der Hubble-Expansion in Frage stellte. Obwohl seine alternative Theorie wohl kaum ernst genommen werden kann, sind Arps Beobachtungen doch bemerkenswert: Er behauptete, dass Quasare am Himmel oft um Galaxien gruppiert sind, selbst wenn sie ganz andere Rotverschiebungen als diese haben – das wäre ein Zusammentreffen, das die Entfernungsmessung mit Rotverschiebungen unglaubwürdig machen würde. Andere hielten diese Koinzidenzen dagegen für Zufall. Wahr ist, dass die Befürworter von Arps Thesen manchmal unsolide Analysen vorgelegt haben, und auch, dass einige Beobachtungen konventionell erklärt werden konnten. Andererseits gibt es tatsächlich einige verbleibende Widersprüche, die jedoch niemand mehr hören will, wie López Corredoira schreibt: 200 „Es ist ein Thema, zu dem jeder seine fertige Meinung hat, ohne die Artikel oder die Details des Problems zu kennen, weil einige führende Kosmologen es als Humbug bezeichnet haben.“ Hier offenbart sich wieder das Dilemma der
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