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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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Naturwissenschaft ist das Quasarmodell nicht. Dafür ist es zu wenig quantitativ – nirgendwo kann man eine prozentuale Übereinstimmung eines Messwerts mit der Theorie angeben. Das Problem ist, dass man eine Menge Erklärungen dafür finden kann, warum man eine bestimmte Lichtwellenlänge sieht oder nicht sieht: sei es, dass Atome durch Licht oder Stöße angeregt werden, sei es, dass manche Wolken dünn und damit durchlässig für Strahlung sind oder nicht – es gibt sehr vieles, was uns einen klaren Blick auf den Quasar verstellt. Und vielleicht verstellt sogar das ganze Modell den Blick auf die wahre Natur der so rätselhaften Objekte.
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    Man entdeckt mit Demut, wie viele unserer Annahmen, die so neuartig und plausibel schienen, schon geprüft wurden, nicht einmal, sondern oft und vielgestaltig, um sich dann nach großer Anstrengung als vollkommen falsch herauszustellen. – Paul Johnson, britischer Historiker
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    Zum Beispiel müsste man bei Quasaren elektrische und magnetische Effekte viel genauer betrachten, die in der gesamten Astrophysik oft sträflich vernachlässigt werden, vielleicht weil eine quantitative Beschreibung unüberwindlich schwierig ist. Die gewaltigen Jets, die fast mit Lichtgeschwindigkeit vom Kern ausgestoßen werden, führen zwangsläufig zu einer Trennung von Ladungen, ähnlich wie bei einem Gewitter. Die stark rotierenden Scheiben müssen ebenfalls von starken Magnetfeldern durchsetzt sein, die Schläuche von Feldlinien bilden, welche sich in komplizierter Weise verdrehen. Solche Schläuche können reißen und wieder zusammenwachsen, was auf unserer vergleichsweise winzigen Sonne zu enormen Eruptionen führt. Man stelle sich diese Effekte in der viel größeren Akkretionsscheibe eines Galaxienkerns vor! Jemand, der sich damit auskannte, der Plasmaphysiker und Nobelpreisträger Hannes Alfvén, entwickelte zum Beispiel ein Modell von Quasaren, das völlig anders ist als das im Moment favorisierte. 204 Wissenschaftstheoretisch haben aber alle ein Problem mit der großen Anzahl von freien Parametern, die man an die Daten anpassen kann.
AUSREISSER STELLEN UNBEQUEME FRAGEN
    Nicht einmal der chemische Fingerabdruck der Quasare, nämlich die parallele Verschiebung bekannter Emissionslinien um den gleichen Faktor ins Rote, ist immer so eindeutig, wie man sich das wünschen würde. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass eine Wasserstofflinie die Rotverschiebung z = 2,4 suggeriert, [63] aber eine Sauerstofflinie mit z = 2,5 widerspricht. Welche Linie ist richtig? Wenn man das Modell retten will, immer beide, zum Beispiel indem man annimmt, die Atome befänden sich in verschiedenen Wolken, die sich relativ zueinander bewegen. Aber es könnte auch ein kleiner Hinweis sein, dass etwas nicht stimmt. Theoretisch entsteht Rotverschiebung auch dadurch, dass das Licht das Gravitationsfeld einer großen Masse verlassen muss. Im konventionellen Bild ist dieser Effekt sehr klein, aber erlaubt man sich Zweifel daran oder gar an der Allgemeinen Relativitätstheorie, könnte der kosmologische Teil der Rotverschiebung auch geringer sein – ein Gedanke, der mir nicht aus dem Kopf geht. Sofort auffallen würde das in den Spektren keineswegs. Allerdings kann man dies nur durch eine konkrete Alternative testen. Daher hört man oft das Argument: „Solange wir nichts Besseres haben …“ Aber angesichts der zahlreichen Ungereimtheiten in den Befunden zu Quasaren wäre es leichtfertig, unsere derzeitigen Erkenntnisse für endgültig zu halten.
    Im Moment habe ich einen außergewöhnlich begabten Schüler, der schon in der elften Klasse ein Analyseprogramm für die 160 000 Quasarspektren im SDSS-Katalog [64] geschrieben hat, von denen wir auf diese Weise etliche untersuchen konnten. Uns fiel zum Beispiel auf, dass es praktisch keinen Quasar mit Emissionslinien von Helium gibt – immerhin das zweithäufigste Element im Universum. Wahrscheinlich gibt es dazu eine gute Erklärung, aber es wäre jedenfalls interessant, der Frage nachzugehen. Methodisch betrachtet ist die Astrophysik hier in einer ungleich besseren Lage als die Teilchenphysik: Jeder kann ihre Modelle testen. Datenbanken wie SDSS ermöglichen es im Prinzip jedem, auch Theorien zu überprüfen, für die eine nach Mehrheitsmeinung finanzierte Forschung keine Mittel erübrigen würde. Diese Möglichkeit stimmt hoffnungsvoll: Die Wahrheit kann früher oder später ans Licht kommen.

ABGEKÜHLTE BONITÄT: DER KOSMISCHE

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