Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)

Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)

Titel: Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen McQuestion
Vom Netzwerk:
Ich glaube, dass die Hirsche zu mir geschickt wurden. Um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und als Verbindungsglied zu dienen. So verrückt das auch klingt.« Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Als die eine Hirschkuh meine Hand berührt hat, habe ich eine Botschaft erhalten. Eine weibliche Stimme. Sie sagte, wir müssten irgendwo in Colorado vorbeifahren. Ich habe den Namen nicht ganz verstanden. Es klang wie Preston Place. Wie dem auch sei, wir sollen dort Halt machen.«
    »Warum denn?«
    »Warum wir dort Halt machen sollen oder warum ich die Botschaft bekommen habe?«
    »Beides.«
    Jazzy seufzte erneut. »Ich weiß es nicht. Oft ist es verwirrend. Normalerweise entwickelt sich aber alles zum Besten.«
    »Die weibliche Stimme ...« Rita versuchte, ruhig zu sprechen, aber es fiel ihr schwer. »Gehörte sie einer jungen Frau? Anfang zwanzig ungefähr?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht«, antwortete Jazzy. »Alt war sie jedenfalls nicht.« Sie fuhr entschuldigend fort: »Es ging alles so schnell. Ich habe nur so eine Art Eindruck erhalten. Es ist, als bekäme man zufällig einen Teil eines Gesprächs im Nachbarzimmer mit.«
    »Aber es könnte eine junge Frau gewesen sein?«
    »Vielleicht. Eine Frau war es jedenfalls. Beim Alter bin ich mir nicht sicher. Eher jung, würde ich sagen. Warum fragst du?«
    »Ich glaube, dass es meine Tochter war«, erklärte Rita, dachte noch einmal über ihre Worte nach und sagte nun mit mehr Überzeugung: »Nein, ich glaube das nicht nur. Ich
weiß
es. Ich weiß, dass es Melinda war.«
    »Ich kann das nicht mit Sicherheit bestätigen. Ich habe nicht gespürt, dass sie eine Verbindung zu dir hat«, entgegnete Jazzy.
    »Aber es war eine junge Frau.« Rita versuchte nicht einmal mehr, die Erregung in ihrer Stimme zu verbergen. »Und sie hat den Kontakt mit Hilfe der Hirschkühe hergestellt.«
    »Ich möchte nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst«, sagte Jazzy vorsichtig. »Manchmal haben die Botschaften überhaupt nichts mit irgendetwas in meinem Umfeld zu tun.«
    »Nein, es war Melinda.«
    »Warum glaubst du das?«
    »Ich war oft mit Melinda auf diesem Rastplatz. Wir haben auf unseren Autoreisen immer dort Halt gemacht. Und ausgerechnet eine Hirschkuh?« Rita spürte, wie in ihrem Inneren ein Licht anging. »Das sieht Melinda unglaublich ähnlich. Sie hat Hirsche gesammelt, als Figürchen und als Stofftiere. Ihre Freunde haben ihr den Spitznamen Bambi gegeben, weil sie geweint hat, als sie den Film in ihrer Highschoolzeit zum ersten Mal gesehen hat. Sie hat mir einmal gesagt, wenn sie noch einmal zur Welt käme, dann am liebsten als Hirschkuh.«
    »Wow«, sagte Jazzy, aber irgendwie glaubte Rita nicht, dass sie sonderlich überwältigt war. Jemand, der die Botschaften von Toten auffing, war wahrscheinlich nicht leicht zu überraschen.
    »Es war Melinda«, sagte Rita beinahe wie im Selbstgespräch. »Es ist genau ihre Art.« Eine Gefühlswoge überkam sie und sie musste kräftig schlucken, um nicht zu weinen. Das Gefühl ähnelte der Empfindung, mit der sie die neugeborene Melinda im Arm gehalten hatte. Ehrfurcht, Staunen und Hoffnung. Genau wie damals war heute ein Wunder geschehen. Der Himmel hatte sich geöffnet und ihrer Tochter gestattet, ihr eine Botschaft zu senden.
    Vom Rücksitz fragte Marnie: »Worüber redet ihr beiden da vorne?«
    »Wir reden über die Hirsche«, antwortete Jazzy lässig abwinkend.
    »Was war denn damit?«, hakte Marnie nach.
    »Ich habe Jazzy gerade gesagt, dass sie mich an meine Tochter erinnern«, erklärte Rita, die sich zwang, gelassen zu klingen. »Melinda hat sie gesammelt.«
    Laverne wurde plötzlich aufmerksam. »Sie hat
Hirsche
gesammelt?«
    »Stofftiere. Plastikfigürchen. Das war irgendwie ihr Ding.«
    »Ach so.« Laverne lehnte sich zurück. »Das ist ein nettes Hobby.«
    Als Rita Jazzy einen Blick zuwarf, schenkte diese ihr ein wissendes Lächeln, ein Zeichen zwischen ihnen. Es war nicht nötig, dass die anderen beiden Frauen ihr Geheimnis erfuhren.

18
    Wie sie so stundenlang auf dem Rücksitz mitfuhr, hatte Marnie zu viel Zeit zum Grübeln. Sie waren erst den ersten Tag unterwegs, aber sie fragte sich schon jetzt, ob es wirklich klug war, nach Las Vegas zu fahren. Wenn sie allein unterwegs gewesen wäre, hätte sie inzwischen vielleicht schon kehrt gemacht und wäre heimgefahren, aber das war sie nun einmal nicht. Die anderen Frauen hatten bereits zu jener Art Kameradschaft gefunden, die sich normalerweise nur zwischen

Weitere Kostenlose Bücher