Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
tummelten, in der Rita ein Usambaraveilchen erkannte. Auf einem Mahagonischildchen stand »Judy Wihr«. Rita fand, dass sie auch wirklich wie eine Judy aussah, bodenständig und nüchtern.
Sie setzten sich ihr gegenüber. Nachdem sie sich vorgestellt hatten, fragte Officer Wihr: »Was kann ich für Sie tun?« Auf der anderen Seite des Raums rückte Officer Mahoney sich auf seinem Stuhl zurecht. Selbst ohne hinzuschauen wusste Rita, dass er die Ohren wie Antennen gespitzt hatte, um zu hören, worum es hier ging.
Jazzy blickte Rita an, die tief Luft holte und begann. »Meine Tochter Melinda ist vor zehn Jahren ermordet worden. In Wisconsin, wo wir leben. Im Dezember, kurz vor Weihnachten. Sie war beinahe dreiundzwanzig.« Ihre Stimme war ein wenig brüchig, aber sie redete weiter. »Ein sehr hübsches Mädchen und eine wunderbare Tochter. Alle hatten sie gern. Sie war unser einziges Kind.«
»Das tut mir leid«, murmelte Officer Wihr, die Stirn sorgenvoll gerunzelt. Sie öffnete eine Schreibtischschublade, brachte eine Schachtel Taschentücher zum Vorschein und bot sie Rita an, die sich dankbar eins herausnahm.
»Ihr Freund, mit dem sie zusammenlebte, hatte ein Alibi, aber mein Mann und ich haben immer geglaubt, dass er der Täter war. Er ist nicht zur Beerdigung gekommen und direkt im Anschluss verschwunden. Wir hatten keine Ahnung, wohin er gegangen war. Nicht einmal seine eigene Familie wusste, wo er war«, erzählte Rita.
»Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie ihn für den Schuldigen halten.« Officer Wihr nahm einen Stift und klappte ein kleines Notizheft mit Spiralbindung auf. »Und was führt Sie nach Colorado?«
»Ich ...« Das war eine Frage, die Rita nicht erwartet hatte. »Wir ...«
Sie schaute auf Jazzy, die ihr zu Hilfe kam. »Wir machen eine Autoreise«, erklärte sie. »Wir fahren zu viert nach Las Vegas, um einer Freundin zu helfen, ihren Stiefsohn wiederzusehen.«
»Ach.« Officer Wihr notierte etwas in ihr Heft.
Rita holte tief Luft. »Wir haben hier Halt gemacht, weil wir ein Problem mit unserem Wagen hatten. Und während wir imPreston Place zu Mittag aßen, habe ich den Verlobten meiner Tochter gesehen.«
»Rita hat mit ihm geredet und er benahm sich, als hätte er ein schlechtes Gewissen«, berichtete Jazzy. »Sein Wagen hatte ein Nummernschild aus Colorado, also dachten wir, dass er jetzt hier lebt.«
Rita war zu aufgebracht gewesen, um auf das Kennzeichen zu achten. Gut, dass Jazzy nie etwas entging.
»Sie haben mein Mitgefühl«, erklärte Officer Wihr. »Aber rechtlich gesehen kann ich nicht viel tun, wenn kein Haftbefehl gegen ihn vorliegt. Ich werde das natürlich überprüfen.« Sie blickte auf ihr Heft hinunter. »Wie heißt er denn?«
»Davis Diamontopoulos.«
Officer Wihr fiel der Stift aus der Hand. »
Davis Diamontopoulos?
« Ihre Stimme klang ungläubig.
»Ja«, antwortete Rita. »Kennen Sie ihn?« Das war offensichtlich der Fall.
»Sie glauben, dass Davis Diamontopoulos Ihre Tochter ermordet hat?«
»Ich weiß, dass er es getan hat.« Rita hatte einen Kloß in der Kehle, der bis in ihre Brust ausstrahlte. Irgendetwas ging hier vor, aber sie wusste nicht was. Nach Jazzys Gesichtsausdruck zu urteilen, war sie ebenso ahnungslos.
»Wie ist Ihre Tochter gestorben?«, fragte Officer Wihr leise.
»Sie wurde auf dem Fahrersitz ihres Wagens gefunden. Sie war mit ihrem eigenen Schal erwürgt worden. Der Wagen parkte ein paar Straßen von ihrer Wohnung entfernt. Es gab keine Zeugen und der Mord wurde nie aufgeklärt.« Rita hatte diese Worte schon viele Male ausgesprochen, aber es wurde niemals leichter.
»Und warum sind Sie so überzeugt, dass er es war? Nur, weil er nicht zur Beerdigung gekommen ist? Menschen trauern auf unterschiedliche Weise. Vielleicht war es ihm unerträglich. Und die Stadt mit unbekannter Adresse zu verlassen ist auch kein Verbrechen.« Ihre Stimme war noch immer weich, aber nicht mehr so mitfühlend.
»Das verstehe ich«, sagte Rita. »Aber wie sich herausstellte, hielt sein Alibi nicht stand. Er hatte gesagt, er und sein Bruder wären in der Kneipe gewesen und er hätte danach auf der Couch seines Bruders übernachtet. Aber der Bruder hat dann einer Freundin von Melinda erzählt, dass sie sich schon gegen Mitternacht getrennt hätten.«
Judy Wihr klopfte nachdenklich mit ihrem Stift auf dem Schreibtisch herum. »Ich habe öfter festgestellt, dass Leute, die getrunken haben, gewisse Schwierigkeiten mit den Tatsachen haben.«
»Davis’ Bruder
Weitere Kostenlose Bücher