Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde
Korrespondenz. Dieser sehr netten Frau Stein habe ich, als sie bei mir anfing, gesagt: »Es gibt immer auch mal Protestbriefe, bei denen Sie sich wundern werden.« Ich habe ihr nicht präzise gesagt, um welche Art von Protestbriefen es ginge, weil ich hoffte, dass es damit zu Ende sei. Aber einige Tage später saß sie mir gegenüber und starrte mich an, beinahe mit Tränen im Gesicht. Sie hatte einen der Briefe geöffnet, die ich in regelmäßigen Abständen aus Frankfurt bekam. Darin befand sich immer benutztes Klopapier, weiter nichts.
Wurde Ihre Post nicht durch die Sicherheitsbeamten des Kanzleramts kontrolliert, bevor sie zu Ihnen kam?
Nein, die waren darauf offenbar nicht geeicht, denn eine arbeitende, postbeantwortende Kanzlerfrau hatte es vorher nicht gegeben. Ich war die Erste, die ihre Post selbst aufmachte, sie in den meisten Fällen auch beantwortete. An den Anblick dieser Frankfurter Briefe musste auch ich mich erst gewöhnen, die waren wirklich zu abstoßend. Allerdings habe ich auch niedliche Briefe bekommen. Aus Baden-Württemberg hat mir zum Beispiel eine Frau sehr vergnügt geschrieben: »Ich bin zwar CDU-Mitglied, aber was Sie da so machen, gefällt mir eigentlich.« Mit der habe ich immer noch einen Briefwechsel. Solange ich keine Hilfe hatte, habe ich die Briefe brav mit der Hand beantwortet. Ich konnte nicht Schreibmaschine schreiben. Manchmal konnten Briefe allerdings auch sehr kurz beantwortet werden: »Vielen Dank für Ihren Brief, alles Gute«.
Waren nicht auch viele Bittbriefe in Ihrer Post?
Das kann ich überhaupt nicht erinnern. Autogrammwünsche kamen etwas später auch. Wahrscheinlich gab es vorher eine Frau Kanzler so gut wie nicht.
Diese Korrespondenz war ja irgendwie ein direkter Kontakt mit dem Volk. Haben Sie Anregungen an Ihren Mann weitergeben können? Dass in einem Brief stand: »Sie müssten aber …«
Nein. Höchstens wenn es mal ein witziger oder kurioser Brief war, habe ich ihn Helmut gezeigt oder ihm daraus vorgelesen. Es ist damals auch nicht vorgekommen, dass jemand etwa auf einen Fernsehauftritt Helmuts Bezug genommen hätte. Zu jener Zeit wurde im Gegensatz zu heute häufiger noch eine Bundestagsdiskussion im Ganzen übertragen. Ich bedaure es sehr, dass jetzt nur noch Statements gesendet werden …
Bis auf Phoenix, der Sender überträgt schon ganze Bundestagsdebatten. – Loki, als Frau des Kanzlers standen Sie sehr oft im Licht der Öffentlichkeit. Hatten Sie jemanden, der Ihnen Ratschläge für öffentliche Auftritte gab?
Was hätte der tun sollen? Sie vergessen, dass ich ja mehr als erwachsen war.
Wie war es beim Umgang mit der Presse? Haben Sie gelegentlich Verhaltenstipps gegenüber bestimmten Journalisten bekommen, zum Beispiel von Klaus Bölling, dem Pressesprecher Ihres Mannes? Dass der gesagt hat: »Bei dem muss man vorsichtig sein«, oder so?
Kann ich nicht erinnern. Dass ich vorsichtig mit der Presse oder mit einzelnen Journalisten sein musste, hatte ich längstgelernt. Wenn man etwas mehr in der Öffentlichkeit steht, muss man einfach behutsamer mit seinen Worten umgehen, weil es sonst zu Missverständnissen oder Ärgernissen kommt.
Mussten Sie viele Interviews geben?
Eigentlich nicht so sehr als Frau des Kanzlers, eher als deutlich wurde, was ich da privat machte: dass ich mich für den Schutz der Natur engagierte.
Aber Frauenzeitschriften, die mal wissen wollten, wie …
Das kann ich nicht erinnern. Wahrscheinlich habe ich das nicht wichtig gefunden und entweder keine Interviews gegeben oder sie verdrängt.
Und mussten Sie Fernsehinterviews geben?
Wenn ja, dann fanden sie meist im sehr schönen Museum König fast gegenüber dem Kanzleramt statt. Dieses zoologische Museum war unversehrt durch den Krieg gelangt, und in der großen Halle hielt am 1. September 1948 der Parlamentarische Rat, der Vorgänger des späteren Bundestags, seine erste Sitzung ab; Bundeskanzler Adenauer hat es dann für sehr kurze Zeit als Dienstsitz benutzt. Zu meiner Zeit gab es im Museum König abends häufiger anständige Vorträge von Naturwissenschaftlern. Wenn ich Zeit hatte, ging ich hin. Anschließend wurde ich gelegentlich von einem Journalisten befragt, was dann aber nur den Vortrag beziehungsweise irgendwas Zoologisches oder Botanisches betraf.
Einmal haben Sie sich vor Presse und Fotografen sogar mit Dschingis Khans …
Das waren die Journalisten, die bei bestimmten Anlässen den Bungalow belagerten. Denen habe ich gesagt, ich sei die Großmutter
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