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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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er.
    »Ja«, antwortete sie leise.
    »Meinen Sie, daß so etwas unter Umständen geht?«
    »Versuchen wir es«, erwiderte sie.
    Erik fuhr in das Barockschloß zurück. Die Räume waren hell beleuchtet, die Fenster weit geöffnet, die Nebelschwaden ebenso abgezogen wie die Polizei und die Gaste.
    »Wie geht es Christian?« fragte Aglaia hastig.
    »Vielleicht schafft er es.«
    »Er wird durchkommen«, erwiderte Aglaia ohne Betonung. »Er ist viel zäher, als er aussieht.«
    Erik war sehr müde. Sein Zorn war verflogen und machte dem Unbehagen darüber Platz, daß er mit einem Mädchen wie Jutta über Intimitäten gesprochen hatte.
    »Du hast dich großartig benommen«, sagte er zu Aglaia.
    »Danke«, entgegnete sie. Er spürte ihr Lächeln mehr als er es sah: »Ich muß dir das Kompliment zurückgeben.«
    Sie gingen weniger schnell auseinander als an anderen Abenden.
    Erik fuhr noch einmal in das Krankenhaus zurück. Er erfuhr, daß sich Christian rasch erholen würde. Er wartete noch einen Tag ab und konnte nicht vermeiden, daß Aglaia bei ihm blieb.
    Erik fuhr nach Frankfurt zurück, eigentlich nur deshalb, um sie loszuwerden. Er setzte sich selbst ans Steuer und bereute es sogleich, denn nun, während der ganzen Fahrt, konnte er Aglaias Argumenten nicht entkommen.
    »Ich muß mit dir sprechen«, begann sie umständlich. »Willst du mir auch diesmal ausweichen?«
    Er schwieg.
    »Zunächst möchte ich dir sagen, daß ich an allem schuld bin. Ich allein.«
    »Du?«
    »Ja. Ich wollte etwas erzwingen – und dabei habe ich etwas zerstört.«
    »Du?« unterbrach er sie verwundert.
    »Ich bin sehr ungeschickt – sehr unbeherrscht – sehr unklug gewesen.«
    Geständnisse dieser Art aus Aglaias Mund waren selten. Er fragte sich, ob sie vielleicht der Beginn einer neuen psychotherapeutischen Behandlungsmethode sein sollten.
    »Nein«, sagte sie, »diese Versuche sind vorbei. Endgültig. Durch mein Versagen, nicht durch das deine. Ich muß das einmal ganz deutlich aussprechen.«
    »Was hiermit geschehen ist«, versuchte Erik ein Thema, bei dem ihm übel wurde, abzuwürgen.
    »Es ging mir nur um den Konzern. Du hast ihn aufgebaut. Du ganz allein. Georg ist früh gestorben, Christian war dazu zu verkommen und Sebastian zu jung. Du mußtest die Zügel in die Hand nehmen, ob du wolltest oder nicht. Mit Christian ist nicht zu rechnen – und in sieben Jahren wird Sebastian sein Erbe antreten und dich aus dem Hause verjagen, das du gebaut hast.«
    »Ich weiß nicht, ob er das tun wird«, rückte Erik die Tatsachen zurecht. »Aber noch weniger wüßte ich, was du dagegen tun könntest.«
    Aglaia prüfte sein Gesicht. Aber sie wußte auch so, daß sie sich nicht zu weit vorwagen durfte, daß sie dem Patienten die Medizin nur in kleinen Dosierungen verabreichen durfte, damit er sich im Schock nicht dagegen verschlösse.
    »Ich bin der Meinung«, sagte sie, »daß wir nicht alle unsere Möglichkeiten ausschöpfen.«
    »Meinst du?« fragte er unwillig.
    »Wir könnten zum Beispiel unseren Neffen adoptieren und uns damit die Geschäftsleitung für immer sichern.«
    »Sebastian soll ich adoptieren?« fragte er.
    »Oder einen anderen«, versetzte Aglaia. »In dieser Sache wenigstens läßt uns der letzte Wille des großen Verblichenen freie Hand.« Sie kam Eriks Unmut zuvor: »Du sollst jetzt nicht zornig werden – und auch nicht ja oder nein sagen.« Jählings hatte ihre Stimme wieder den Klang von früher: »Ich bitte dich lediglich, einmal darüber nachzudenken.«
    Sie schwiegen, bis sie die Autobahn erreicht hatten. Aglaias Nähe bedrängte Erik. Es kam ihm vor, als wäre er mit ihr in eine Zelle gesperrt. Er fuhr schneller, als sonst üblich, um seine Freiheit wiederzugewinnen.
    »Ich fahre morgen zurück«, sagte er unvermittelt, »Christian geht es miserabel. Ich muß mich um ihn kümmern.«
    »Wir hätten uns viel mehr um ihn kümmern sollen«, antwortete sie, »dann wäre es wohl nicht so weit mit ihm gekommen.«
    Erik schwieg.
    Er fürchtete, daß sich seine Frau, was Christian anbelangte, um ganz andere Dinge kümmern könnte.
    Er war auf Vermutungen angewiesen, obwohl er sich leicht Beweise hätte verschaffen können. Aber er respektierte das Privatleben seiner Umgebung, ob es ihm gefiel oder mißfiel. So brachte er sowohl Verständnis für Christians Unbegreiflichkeiten auf wie für die Aversion seiner Frau gegen den Halbbruder. Sie waren schroffe Gegensätze.
    Sie mußten aufeinanderprallen.
    Aber Aglaia war die

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