Auf dem spanischen Jakobsweg
gelebt, schwer auf dem Feld
gearbeitet, Kinder geboren und wieder verloren, in die Stadt, wo es Arbeit
gibt. Ich weiß es nicht. Es kann alles auch anders gewesen sein. Vielleicht
schließt sie mich in ihr Gebet ein, das wäre gut für mich.
Von Mañeru
nach Cirauqui sind es nur ein paar Kilometer. Cirauqui ist ein größeres
Bergdorf, die Straßen führen nach oben und sind auffallend breit. Auf
steinernen Treppen kann man den Weg abkürzen. Bevor ich ganz oben die Kirche
San Román erreiche, riecht es an einer Ecke nach frischem Brot. In der
Bäckerei, wo ich zuerst Brot kaufe, frage ich dann, wo man hier noch andere
Lebensmittel kaufen kann. Die Bäckersfrau läuft mit mir auf die Straße hinaus
und zeigt mir den Weg. Dort hole ich mir dann noch den wunderbaren spanischen
Schinken, eine Dose Ölsardinen, Käse und Obst. Danach fülle ich an einem
Brunnen meine Flasche mit kaltem Wasser und trinke. Anschließend stehe ich vor
der Kirche San Román, die leider verschlossen ist. Wegen der zunehmenden
Diebstähle ist es neuerdings auch in Spanien üblich, dass man viele Kirchen
verschließt. Natürlich kann man sich den Schlüssel irgendwo holen, aber ein
Pilger ist meistens durchgeschwitzt, hungrig und durstig und will weiter. Den
herrlichen Ausblick auf das hügelige Land um das Bergdorf Cirauqui werde ich
allerdings nie vergessen, das ferne dunkle Gebirge, die silbergrünen
Olivenbäume, die gelben Farbtöne der schon abgeernteten Getreidefelder — und
das alles unter einem hellblauen Sommerhimmel, an dem ganz vereinzelt ein paar
weiße Wölkchen dahinziehen.
Kurz
außerhalb des Ortes, es geht jetzt wieder bergab, vereinigt sich der Jakobsweg
mit einer Straße, die schon die Römer gebaut haben. Typisch hierfür sind die
langen Steinplatten zur Begrenzung der Straße auf beiden Seiten. Die Römer
müssen gute Straßenbauer gewesen sein, wenn sich das alles so lange gehalten
hat. Erst wir schaffen die endgültige Zerstörung dieser uralten Kulturgüter mit
unseren Riesenmaschinen, unseren Erdbewegungen und unserem Asphalt, wie man es
auf der anderen Seite der alten Römerbrücke, der ich mich jetzt nähere,
beobachten kann. Aber erst mal komme ich gar nicht über die halb verfallene
Brücke hinüber, denn davor sitzen im Gras zwei „Wegelagerer“, Heinz und unser
Pfarrer Tobias. Wir machen gemeinsam Brotzeit und wandern auch gemeinsam
weiter.
Auch heute
ist die Hitze wieder gewaltig. Ständig muss ich mir den Schweiß vom Kopf
wischen. Unsere Wasservorräte sind schnell verbraucht, und wir warten mit
ausgetrockneter Kehle auf den nächsten Pilgerbrunnen. Auf keinen Fall aber darf
man das Wasser aus dem Río Salado trinken, den wir als nächstes auf einer
kleinen mittelalterlichen Brücke überschreiten. Denn schon der erste
Pilgerführer für den Jakobsweg, veröffentlicht 1130, nämlich Aymerics „Liber
peregrinationis“, weiß, ins Hochdeutsche übersetzt, über diesen Fluss zu
berichten:
Wagt
nicht, aus ihm zu trinken, nicht du und nicht dein Pferd, denn er ist ein todbringender
Fluß. Auf dem Weg nach Santiago, an seinem Ufer sitzend, treffen wir zwei
Navarreser, die ihre Messer schleifen, mit denen sie die Pferde der Pilger
enthäuteten, die von diesem Wasser tranken und starben. Wir fragten sie, und
sie belogen uns; sie antworteten, das Wasser sei trinkbar, so dass wir unsere
Pferde davon tränkten, von denen sofort zwei starben, die von den Navarresern
unverzüglich enthäutet wurden.
Im nächsten
Dorf, in Lorca, steht ein prächtiger Pilgerbrunnen mit eiskaltem Quellwasser
und ist bereits von anderen Pilgern umlagert. Dieses Bild, das uns immer wieder
begegnet, erinnert mich an Afrika, wo während der Trockenperioden die Tiere der
Steppe sich um die letzten Tümpel lagern, nur dass es hier in Lorca friedlich
und fröhlich zugeht und im Hintergrund keine Löwen auf uns lauern.
Mehr und
mehr trifft man unter den Pilgern jetzt auf neue Gesichter. Das hängt damit
zusammen, dass in Puente la Reina auch Pilger über die aragonesische Route zu
uns gestoßen sind, aber auch damit, dass manche ihre Pilgerreise erst in
Pamplona begonnen haben.
Was kann an
einem heißen Tag eigentlich besser schmecken als dieses kalte Wasser aus den
Pilgerbrunnen, die es inzwischen wieder überall am Camino gibt? Ich trinke
meine Aluminiumflasche in kurzer Zeit zweimal leer, das sind immerhin zwei
Liter eiskaltes Wasser, die in meinen überhitzten Körper hineinfließen und mich
auch von Innen abkühlen.
In
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