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Auf dem Weg zu Jakob

Auf dem Weg zu Jakob

Titel: Auf dem Weg zu Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Adams
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heute noch eine moderne Brücke, die den Autoverkehr aufnimmt. Die kleine alte Brücke, auch wenn sie gut und stabil ist, könnte den Schwerverkehr, so wie er pausenlos neben mir den Perdón hochgekrochen kam, nicht verkraften.
    Ich kehre zu meiner Bleibe zurück. Ich habe Hunger, aber es sind noch mindestens zwei Stunden totzuschlagen, bis die Restaurants endlich öffnen.
    In Spanien ist es Sitte, erst spät, in der Regel nicht vor 21:00 Uhr, zu Abend zu essen. Ich fühle mich zu kaputt, noch weiter durch den Ort zu laufen. Ich telefoniere ein bisschen und lege mich auf ein Mauerstück in Nähe des Hotels. Meine Oberarme und vor allem meine Schultern schmerzen noch immer vom vielen Schieben - das wird einen ausgewachsenen Muskelkater geben.
    Nach einer Stunde quält mich der Hunger so sehr, dass ich beschließe, schon mal an der Bar etwas trinken zu gehen. Ich bestelle mir eine Cola und setze mich an einen dem Barbereich zugeordneten Tisch, wo sich auch schon eine Gruppe Schweizer Fußpilger niedergelassen hat, und ich stelle fest, dass man hier auch ein paar Snacks ordern kann. Es gibt kein richtiges Menü wie im Restaurant, und die Auswahl ist auch limitiert, aber sie bereiten einem offenbar Tortillas (Eiergerichte) oder Paella in diversen Ausführungen zu. Ich zögere nicht und bestelle mir eine Portion Paella, dazu etwas Brot und ein paar Oliven. Die Schweizer, die sich bislang nur Getränke bestellt haben, sind jetzt auch auf den Geschmack gekommen, und die Küchenmannschaft muss mindestens noch zehn weitere Paellas in die Mikrowelle schieben. Als ich fast fertig bin, taucht eine ganze Wandergruppe junger Amerikaner auf, frisch geduscht und relativ schick gestylt, die Frauen alle in etwas engem Schwarzen. Sie warten bis das Restaurant öffnet.
     
    Es ist nicht leicht, in das obere Stockbett zu klettern - jedenfalls nicht, ohne auf das untere Bett zu steigen. Es ist warm. Deshalb lege ich mich nur auf meinen Schlafsack. Ich spreche noch mit ein paar Niederländern, die mir versichern, dass es auf den nächsten Etappen keine Steigungen geben würde, dann füllt sich der Schlafsaal und schon bald sind die meisten in ihren Betten. Kurz nach 22:00 Uhr wird allgemein beschlossen, dass diejenigen, die noch in ihren Sachen kramen, es doch bei Taschenlampenschein tun sollten.
    Etwas später kommen auch die Amerikaner vom Essen und ziehen lustig plappernd in den Schlafsaal neben uns. Die Wände sind so dünn, dass man jedes Wort verstehen kann. Schließlich erbarmen sich zwei Franzosen, die direkt an der Trennwand zum anderen Schlafsaal liegen, heftig gegen die Wand zu klopfen und um Ruhe zu bitten - nach dem dritten Mal kehrt endlich Ruhe ein. Trotzdem werde ich nicht einschlafen können. Ich höre noch, wie irgendwo eine Plastiktüte raschelt und der erste anfängt zu Schnarchen.
    Schließlich döse ich vor lauter Erschöpfung ein. Von festem Schlaf möchte ich nicht sprechen, denn ich bin es nicht gewohnt, mit vielen Menschen in einem Raum zu schlafen. Und ständig auch im Hinterkopf, dass es unmöglich wäre, auf Klo zu gehen: einerseits wegen des Stockbetts, andererseits, weil auch überall in den Gängen Leute auf Matratzen liegen. Auf die im Dunkeln nicht zu treten, soviel Akrobatik möchte ich mir nicht zumuten.
     
     

Von wegen eben!
     
    Dann geht das Neonlicht an. Was ist los? Es ist 6:00 Uhr. Die ersten Pilger stehen schon in voller Wandermontur im Schlafsaal. Sie hatten sich im Dunkeln angezogen. Plötzlich ist Hektik im Raum. Viele Menschen versuchen gleichzeitig, Sachen aus ihren Spinden zu holen, sich anzuziehen, Zähne zu putzen, Wanderstiefel zu suchen, die inzwischen längst unter irgend einem anderen Bett gelandet sind. Ich warte, bis der erste Schwung den Raum verlassen hat. Dann geht es auch bei mir relativ schnell, und zu einer höllisch frühen Zeit stehe ich mit meinem Rad reisefertig auf der Straße. Es ist sogar noch so dunkel, dass ich sicherheitshalber mein Licht einschalte.
    Gerne hätte ich jetzt zumindest einen Kaffee getrunken, aber zu dieser frühen Stunde hat noch alles geschlossen. Also radle ich los. Die Dunkelheit beginnt gerade erst zu weichen, das Licht wird allmählich blauer. Momentan ist es noch reichlich frisch. Hatte ich meine Trekkinghose gestern zu Shorts verwandelt, so habe ich die Hosenbeine jetzt wieder auf voller Länge.
     
    Ich fahre der Calle Mayor entlang. Es hoppelt ein wenig auf dem Kopfsteinpflaster. Über die Brücke Puente la Reina muss ich schieben.

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