Auf dem Weg zu Jakob
Inzwischen schauen die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont und tauchen alles in rosafarbenes Licht. Ich fahre zur Hauptstraße, die ich den Camino-Zeichen folgend überquere, und fahre auf einer Piste links parallel zur Autostraße. War außer Pilgern kaum jemand in der Stadt zu sehen, ist der Verkehr um diese Zeit schon enorm.
Ich holpere den Weg entlang und versuche den tieferen Schlaglöchern auszuweichen. Die Autostraße rechts gewinnt an Höhe, der Weg nicht. Ich ahne schon, dass das auf Dauer nicht so bleiben wird. Und nach ca. 2,5 km habe ich den Beweis. Der Wanderpfad steigt einen Hang hinauf, auf den ich unmöglich mein bepacktes Fahrrad auch nur schieben könnte. Ich muss zurück und wieder auf der verkehrsreichen Straße fahren, oder besser vom Schwerverkehr begleitet die Höhe erschieben. Ich bin nur froh, dass das jetzt passiert, wo ich noch einigermaßen bei Kräften bin und es noch nicht so heiß ist.
Ich fahre die Piste zurück, einer zartrosa Sonne entgegen, und ernte dabei natürlich die eine oder andere Bemerkung. Die einen juxen „Schon auf dem Rückweg?“, die anderen fragen sich, ob dies nicht der richtige Weg sei, und schließlich treffe ich auf jemanden, der mir etwas von einem Fahrradweg auf der anderen Seite der Hauptstraße erzählt. Da wo der Camino die Hauptstraße überquert muss ich ein kurzes Stück auf ihr fahren, um dann hinter einer Fabrik rechts abzubiegen.
Schnell ist der Radweg gefunden. Es handelt sich dabei um die alte Straße, die jetzt nur für Räder und Trecker zugelassen ist. Außer einem alten Mann, der forschen Schritts zu seinem Feld marschiert, ist hier niemand. Ich habe das breite Teerband für mich. Anfangs ist die Steigung auch noch nicht so stark, sodass ich einigermaßen gut fahren kann, doch dann biegt die Straße und entscheidet sich, den Kamm zu erklimmen. Abwechselnd schiebend und langsam fahrend erkämpfe ich mir Schleife um Schleife, dazwischen liegen Verschnaufpausen. Ich empfinde es als Schwerstarbeit so früh am Morgen ohne Frühstück das Rad hier hinauf zu bugsieren. Ich schwitze wie ein Bär. Aber, es hat auch gute Seiten: in meinen Verschnaufpausen bin ich allein in der Natur, hoch oben über der lauten Autostraße, und die Ausblicke über die von zartfarbenem Sonnenlicht beschienene Navarresische Landschaft sind einmalig. An der einen Stelle finde ich es sogar regelrecht lustig, auf den Fußpilgerweg hinabzuschauen. Von meinem Adlerhorst aus wirkt der Camino wie eine Ameisenstraße: so viele Pilger sind jetzt unterwegs.
Oben auf der Kuppe, da wo ich mir sicher sein kann, dass es wieder bergab geht, verspreche ich mir mein Frühstück: etwas Orangensaft, ein paar Oliven, eine kleine Dose Sardinen. Meinen restlichen Schinken, sofern er überhaupt noch gut ist, will ich mir aufheben und dann essen, wenn ich mir irgendwo Brot gekauft habe.
Nach dem Frühstück stelle ich mich auf eine lange, rasante Talfahrt ein, aber nichts da. Ein kurzes Stück hinter der Kuppe treffe ich schon auf die Hauptstraße, die jetzt auch diese Höhe gewonnen hat. Ich überquere sie, um ins Dorf Mañeru zu gelangen. Ich pausiere ein Foto lang an dem alten steinernen Wegkreuz und tauche dann ab ins Dorf. Einige der alten Häuser tragen Adelswappen an den Wänden. Ich passiere die Pfarrkirche aus dem 18. Jh., eine Rundkirche, und fahre weiter Richtung Cirauqui.
Wieder treffe ich auf die alte Straße, die nur für Fahrräder und landwirtschaftliche Fahrzeuge zugelassen ist. Sehe ich etwa schon wieder eine Steigung? Nein, es geht nur ein paar Meter bergan. In der Ferne kann ich Cirauqui bereits erkennen. Trutzburgartig liegt es auf einer Anhöhe, jetzt geht es gut voran, denn die Straße senkt sich ein wenig. Aber Vorsicht, man sollte nicht glauben, die Straße ganz und gar für sich zu haben: aus dem Nichts taucht plötzlich ein Autobus auf und brettert an mir vorbei. Diese Strecke wird offenbar auch vom öffentlichen Nahverkehr benutzt.
Cirauqui ( Seite 74) mit seinen engen Gassen wirkt auch heutzutage noch mittelalterlich. Ich sehe jemanden mit einem Brot unter dem Arm ein Gebäude verlassen: da muss der Bäcker sein. Im Dorf folge ich dem Camino, aber die Gassen sind so steil, dass ich Probleme habe, mein bepacktes Rad hinaufzuschieben. Doch da kommt eine Gruppe holländischer Wanderer, zwei von ihnen packen von hinten mit an und helfen schieben. Offenbar haben sie vor, das Rad bis ganz nach oben zu schieben, wo auch nichts gegen zu sagen ist, bloß geht
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