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Auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace
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klappte die beiden einzigen Kartons auf, die ich bisher gepackt hatte, und wühlte darin herum, suchte die Akte, die ich noch von meinem letzten Mal am St. John’s hatte, in der Hoffnung, dieses zusammengetackerte Dokument zu finden, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich es noch mal brauchen würde.
    Brightons Open House & Performer Bar besteht vor allem aus Chesterfield-Sofas und groben Holztischen roten Wänden und Pop-Art-Bildern von Jim Morrison, und bräuchte dringend einen schmissigeren Namen.
    Studenten fanden sich hier ein, aber auch Einheimische, und an diesem Donnerstagabend um halb acht saß ich irgendwo in einer dunklen Ecke, wo ich still und leise so tat, als würde ich eine weggeworfene Ausgabe des Argus lesen.
    Ich hatte Abbey nicht gesagt, dass ich kommen würde. Zwar hatte sie mir den Flyer geschickt, aber es war kein Gruß dabei gewesen, nichts, was darauf hingewiesen hätte, dass sie mich sehen wollte. Mir schien, sie hatte ihn aus Höflichkeit geschickt. Um zu sagen: Guck mal, ich mach es, ich versuche es, wünsch mir Glück und alles Gute.
    Im Zug hierher hatte ich den Flyer angestarrt, hatte mir Abbeys Songs auf meinem iPod angehört, während die Sonne unterging und sich der Abend über die Landschaft legte. Sie waren hübsch. Nicht perfekt, aber sie waren wie sie . Sie waren zerbrechlich, aber voller Leben, so zart und fragil, aber auch so voller Hoffnung. Ich hatte nicht gelogen, als ich diese Kritik schrieb.
    Das Publikum ließ sich nieder, als die Lichter gedimmt wurden, und Abbey kam heraus, unsicher, mit gesenktem Blick, stöpselte ihre Gitarre ein und fing an zu spielen.
    Und ich war so glücklich, so begeistert, so erfüllt .
    »Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest«, sagte Abbey danach.
    »Ich war nicht sicher, ob du mich hier haben wolltest«, sagte ich.
    »Ich auch nicht.«
    »Du warst brillant, Abbey. Es war …«
    »Jase, es tut mir leid, dass ich neulich so reagiert habe.«
    »Das war meine Schuld. Ich hab Mist gebaut. Falls es dir ein Trost ist: Es war einer von mindestens neun Grün den, wieso ich meinen Job als stellvertretender Rezensions redakteur verloren habe. Damit sind wir quitt. Obwohl du den Verlobten meiner Ex und ihre Freundin unter Drogen gesetzt hast. Eigentlich finde ich, ich hab noch einen gut, denn jetzt redet sie nicht mehr mit mir, und meine Einladung zur Hochzeit hat sie auch zurückgenommen.«
    Schuldbewusst kicherte sie in sich hinein.
    »O Gott, ich weiß gar nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Der reine Eskapismus. Wahrscheinlich sind wir wirklich quitt.«
    »Das habe ich so nicht gesagt. Ich sagte, ich hab noch einen gut bei dir. Und damals, nach diesem Gig, habe ich mich einfach so gefreut, als ich gemerkt habe, dass du sehr wohl ein Ziel hast.«
    Ich hatte mir so meine Gedanken über Abbey gemacht, nachdem wir uns zum ersten Mal begegnet waren. Wieso reiste sie den Kicks hinterher? Oder den anderen Bands, die sie zu kennen schien und denen sie auf Schritt und Tritt folgte? Ich hatte überlegt, ob sie vielleicht so etwas wie ein Groupie war, das irgendwie über den anderen Mädchen stand, weil sie »zur Band gehörte«, weil sie die Band so gut kannte, dass sie mit den Jungs reden und trinken durfte. Doch das sah ihr kein bisschen ähnlich. Jetzt wurde mir klar, dass sie mit den Leuten nur abhing, weil die machten, was sie machen wollte. Sie liebte die Musik, nicht die Band, und sie liebte das ganze Drumherum. Sie wollte still vom Bühnenrand aus zusehen, wenn andere etwas wagten, weil sie vielleicht nicht mutig genug war, selbst dort hinauszutreten und der Welt zu sagen, was sie dachte.
    Bis jetzt.
    »Du machst es«, sagte ich. »Du wagst es.«
    »Nur ein paar Gigs. Es ist schwer, Auftritte zu bekommen. Aber die Reaktionen waren gut. Na ja, fast alle.«
    »Schwieriges Publikum?«
    »Das Publikum war gut. Zumindest höflich. Nein, ich meine Paul.«
    »Puppenspieler Paul? Was ist mit Puppenspieler Paul?«
    »Puppenspieler Paul ist nicht ganz so begeistert. Er meint, wir müssten uns entscheiden, wer von uns beiden der Kreative ist. Er meint, es klappt nie, wenn zwei Leute dieselbe Welt erobern wollen.«
    »Er ist ein Puppenspieler! «
    Ein Lächeln machte sich breit. Sie legte ihre Hand an die Wange.
    »Es wäre ihm sicher lieber, wenn du ihn als politischen Puppenspieler bezeichnen würdest.«
    »Wo war er denn heute Abend? Bei den Vereinten Nationen? Oder haben sie ihn mit einem Strumpf und zwei Pingpongbällen über dem Gazastreifen

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