Auf den Flügeln der Sehnsucht
aufwachen muss."
"Das ist doch Unsinn", brauste Marion auf. "Ich bin überzeugt davon, dass Tina das niemals gewollt hätte. Sie ist tot, sie braucht Ihre Liebe nicht mehr. In dem Land, in dem sie sich jetzt befindet genügt es, wenn wir liebevoll an die Verstorbenen denken und sie nicht vergessen."
Werner schüttelte verwundert den Kopf. "Ich weiß ja, dass Sie recht haben. Doch so eindringlich, wie Sie mir das eben gesagt haben, hab ich es noch nie gehört. Es lohnt sich, darüber ernsthaft nachzudenken. Ich dachte, mein Leben sei mit Tina gestorben, doch jetzt, da ich Ihre Bekanntschaft gemacht habe denke ich, dass ich es vielleicht doch noch einmal versuchen sollte."
"Geben Sie dem Leben eine Chance, Werner. Sie werden sehen, es lohnt sich. Schwierigkeiten und Kummer werden uns geschickt, damit wir an ihnen wachsen und nicht verzweifeln. Dann wäre ja alles umsonst."
"Das ist wahr. Woher nur haben Sie diese Weisheiten? Natürlich kann man sie in Büchern nachlesen, doch so, wie Sie es sagen glaubt man Ihnen, dass Sie diese Erkenntnisse auch leben."
"Ich versuche es zumindest", schränkte Marion errötend ein und senkte den Kopf. "Keiner von uns ist als Weiser geboren. Wir müssen erst lernen, wie man lebt, ohne dass die täglichen Blessuren, die wir uns einhandeln, allzu großen Schaden anrichten."
Ein heißes Gefühl strömte zum Herzen des Mannes. Und plötzlich war er überzeugt davon, dass das Schicksal ihm diese junge Frau als hilfreichen Engel geschickt hatte, der ihn aus seiner Verzweiflung holen sollte.
"Sie haben es geschafft, Marion", sagte er leise und hob ihr Kinn mit seinem Zeigefinger zu sich hoch. Sein Blick versank in dem ihren. "Was sind Sie nur für ein Mädchen. Wie ein Sonnenstrahl kamen Sie aus dem Nichts, um mir mein Leben wieder zu geben." Seine Stimme war sanft und unendlich zärtlich.
" Sehen Sie, schon dafür hat es sich gelohnt, dass ich heute diesen Weg gegangen bin", antwortete Marion lächelnd. Sie konnte sich seinem zärtlichen Blick nicht entwinden. Ihr Herz klopfte so rasch und heftig, dass sie glaubte, er müsse es hören können.
"Marion, ich..." Er sprach nicht mehr weiter. Ganz sanft legte er seine Lippen auf die ihren. Uns sie wehrte sich nicht.
* * *
Immer wieder ging Lena Baumann nach draußen, um nachzusehen, ob Werner Saalbachs Auto wieder an seinem Platz stand. Doch nichts tat sich. So vergingen einige Tage, und die junge Bäuerin wurde immer enttäuschter.
Frank merkte, dass mit Lena etwas nicht in Ordnung war, doch er vermied es tunlichst, sie darauf anzusprechen. Arglos berichtete er von Marions Ankunft, und wie gut sie sich auf dem Hof schon eingelebt hatte. Sogar eine Bekanntschaft habe sie gemacht, erzählte er, ein netter Mann, den er jedoch nur einmal aus der Ferne gesehen hatte. Für Marion jedoch schien er bereits ein richtiger Freund geworden zu sein, denn jeden Tag berichtete sie begeistert von ihren Begegnungen.
Lena hörte nur mit halbem Ohr hin und dachte sich auch nichts dabei. Sicher war es ein Bauernsohn aus dem Dorf, vermutete sie und ahnte nicht, dass es Werner, ihr Werner war, und dass er wegen Marion nicht mehr zu ihr auf den Berg kam.
"Ich hab dir auch etwas mitgebracht, Lenchen." Zärtlich glitten Franks Augen über die schlanke Bäuerin, die ihn nur unpersönlich anlächelte.
"Was ist es denn?"
Frank zauberte hinter seinem Rücken einen überdimensionalen Blumenstrauß hervor, den er ihr jetzt mit einer galanten Verbeugung überreichte. "Ich konnte nicht widerstehen, als ich beim Gärtner vorbei fuhr. Hoffentlich gefällt er dir."
Lena war gerührt. Für einen Moment lang vergaß sie sogar Werner und sein in ihren Augen treuloses Verhalten. "Warum tust du das?" Sie kämpfte mit den Tränen. "Es ist weder ein Jahrestag noch gibt es sonst einen Grund dafür."
"Ich freue mich ganz einfach, dass es dich gibt, Lenchen. Und ich will dir damit sagen, dass du mir auf dem Hof ganz gehörig fehlst. Deinem Vater übrigens auch." Er streichelte sanft ihr ein wenig erhitztes Gesicht und freute sich, dass sie es ohne Protest geschehen ließ.
"Danke." Lena stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Viel lieber hätte sie sich an ihn geschmiegt, doch das wagte sie nicht. Noch nie hatte er von Liebe gesprochen, nicht einmal, als er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Es waren lediglich logische, vernünftige
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