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Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]

Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]

Titel: Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: fhl Verlag Leipzig UG
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›ebnen‹, in dem er jeden Stein entfernte, der ihn zum Straucheln bringen konnte.
    Als er auf die Uhr blickte, erschrak er, denn Emmerlein würde bald erscheinen und er durfte ihn auf keinen Fall an diesem Ort sehen.
    Er setzte sich im Schutz des Felsens in das feuchte Moos, schweratmend und doch gelöst, und blickte vorsichtig hinter dem Stein hervor.
    Warten war angesagt. Die Brandung dröhnte in seinen Ohren, und die Möwen schrieen grell im Wind. Und dann, unvermittelt, sah er Emmerlein.
    Instinktiv griff er nach dem Messer, doch rasch zog er die Hand wieder zurück. Nicht heute, mahnte er sich selbst. Näher und näher kam Emmerlein.
    In die Hocke ging er, so wie er es vor dem Angriff tun würde, wartete, presste die Lippen aufeinander, bis sie zu verschmelzen schienen.
    Emmerlein lief am Fels vorbei, und er sah die gelbe Kutte und die dunkelblaue Wollmütze, unter der die langen blonden Haare nun verborgen waren. Jetzt würde er hochschnellen müssen an dem von ihm für die Rache bestimmten Tag, genau in diesem Augenblick, mit zwei großen Sätzen würde er Emmerlein erreicht haben, der sich nicht umwenden konnte, weil er auf den Weg achten musste und die unzähligen Steine, die auf ihm lagen.
    Es war so einfach. Der Stich selbst würde ein Kinderspiel sein, den linken Arm würde er Emmerlein um den Hals legen und mit dem rechten zustoßen. Eine Welle der Erregung durchflutete ihn, am liebsten würde er es jetzt tun, in diesem Augenblick, und mehr als einen erstickten Schnaufer konnte der Überfallene nicht von sich geben.
    Doch Emmerlein entfernte sich rasch, sehr rasch, er war ein guter Läufer, man sah es, er besaß eine große Ausdauer.
    Drei Meter haben uns getrennt, dachte er, drei Meter lagen zwischen mir und Emmerlein, nur drei Meter war Emmerlein vom Tod entfernt gewesen, nicht mehr, so gering nur war die Spanne zwischen Leben und Tod. Er fühlte sein Herz heftig schlagen, denn es war so einfach, Emmerlein zu töten, es war so leicht, hier, an diesem einsamen Ort. Emmerlein war nun seinen Blicken endgültig entschwunden.
    Weit, sehr weit in der Ferne, sah er einen Fischerkutter auf dem Nordmeer. Möwen stießen vom Himmel herab auf das Boot, um wild flatternd, dicht über ihm in der Luft zu verharren. Wie eine gewaltige Wolke aus Flügeln und Leibern kreisten sie über dem Schiff, das nun dem Ufer entgegenstrebte, jedoch in langsamer Fahrt, als ob es noch ein Netz hinter sich herschleppte, auf dessen Inhalt die Möwen warteten, da immer etwas auch für sie abfiel.
    Mit langsamen Schritten ging er nach unten zur Straße und weiter auf ihr, bis hin zum Geisterdorf, und noch immer sah er keinen Menschen, nur die Möwen kreischten ohne Unterbrechung über ihm, hoch in der Luft.
    In der Herberge begannen die Gäste gerade aufzustehen, er hörte die Spülung einer Toilette, verhaltenes Lachen, Rufe, das Schlagen von Türen.
    Leise drückte er die Klinke zu ihrem Zimmernieder. Sarah, die bereits angezogen auf dem Bett saß, schnellte hoch und auf ihn zu, und er gewahrte das Entsetzen in ihrem Blick.
    »Du hast es getan?«, keuchte sie angstvoll.
    »Nein«, wehrte er ab. »Ich habe es nicht getan!«
    Sie zitterte am ganzen Körper, als er sie in die Arme nahm, doch dann löste sie sich von ihm, mit einer Heftigkeit, die ihn überraschte.
    »Du hattest das Messer mit«, stammelte sie.
    »Ja«, sagte er, »Aber ich habe es nicht benutzt.«
    Zweifelnd sah sie ihn an, ihre Brust hob und senkte sich rasch.
    »Bitte«, sagte er und zog das Messer aus dem Anorak. »Die Klinge ist sauber.«
    Er nahm wahr, dass sie ein Schauder durchfuhr, als sie auf die Klinge schaute, und ihre Lippen bebten dabei und ihre Augenlider zuckten. Er wollte ihr über den Kopf streichen, doch sie wich seiner Hand aus, starrte ihn voller Misstrauen an. Oder war es sogar Abscheu?
    Vorsichtig schob er das Messer in die Scheide zurück, um es dann in den Schrank zu legen.
    »Du hast es nicht getan«, beruhigte sie sich.
    »Nein«, sagte er. »Ich hatte es dir ja versprochen.«
    »Ja, ja«, stammelte sie und fuhr sich erregt mit den Händen durch ihr Haar.
    Ihre Reaktion missfiel ihm, aber was konnte er gegen ihre Erregung tun? Sie war eben eine Frau, und viele Frauen besaßen nicht die Härte der Männer, so war es nun einmal, er würde mit ihrer Angst vor der Tat leben müssen, und sie würde lange brauchen, um sie zu verarbeiten. Aber vielleicht gab es dann für sie beide doch wieder einen Neuanfang. Wer konnte wissen, was danach geschah.

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