Auf den Schwingen des Adlers
gebracht werden.
Perots Schwester Bette hatte die Nacht über an der Seite ihrer Mutter gewacht, und am ersten Weihnachtsfeiertag packten Perot, Margot und ihre fünf Kinder den Kombi voller Geschenke und fuhren zum Krankenhaus. Großmutter war so zuversichtlich und gut gelaunt, daß der Tag für alle sehr fröhlich verlief. Am nächsten Tag jedoch wollte sie keinen von ihnen sehen: Sie wußte, sie wollten zum Skilaufen, und bestand darauf, daß sie trotz ihrer Erkrankung fuhren. Margot fuhr am sechsundzwanzigsten Dezember mit den Kindern nach Vail, während Perot in Dallas zurückblieb.
Was folgte, war ein Machtkampf mit seiner Mutter, wie Perot ihn nur zu gut aus seiner Kindheit kannte. Lulu May Perot war nur etwas über einsfünfzig groß und zierlich, doch deswegen nicht weniger hart im Nehmen als ein Feldwebel. Sie erinnerte ihn daran, daß er schwer arbeitete und seine Ferien brauche, worauf er erwiderte, daß er sie nicht allein lassen wolle. Nach einigem Hin und Her griffen schließlich die Ärzte ein und erklärten ihm,er täte seiner Mutter keinen Gefallen, wenn er gegen ihren Willen bliebe. Am nächsten Tag folgte er seiner Familie nach Vail. Wieder einmal hatte sie sich durchgesetzt, ganz so wie früher, als er noch ein kleiner Junge gewesen war.
Sie hatte ihn nie geschlagen. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, daß sie ihn je angeschrien hätte. Ihn zu ängstigen, hatte nicht zu ihren Erziehungsmethoden gehört. Wie eine liebliche Fee, mit blondem Haar und blauen Augen, hatte sie ihn und seine Schwester Bette an die Kette der Liebe gelegt. Wenn sie einen nur ansah, brachte man es nicht über sich, den eigenen Willen durchzusetzen und sie unglücklich zu machen.
Mittlerweile waren ihre Machtkämpfe selten geworden, denn Perot hatte sich ihre Prinzipien längst zu eigen gemacht. Wie eine konstitutionelle Monarchin herrschte Lulu May über ihre Familie, trug die Insignien der Macht und segnete die wahren Entscheidungsträger ab.
Er hatte nicht nur ihre Prinzipien, sondern auch ihren eisernen Willen geerbt. Auch er brauchte den Leuten nur in die Augen zu sehen. Und er hatte eine Frau geheiratet, die seiner Mutter ähnelte, mit einem Unterschied allerdings: Margot beherrschte ihn nicht.
Für seine Mutter konnte Perot im Moment nichts tun. Zwei Jahre zuvor hatte er nach ihrem Schlaganfall an einem Sonntagnachmittag ganz Dallas auf den Kopf gestellt, um den besten Neurochirurgen aufzutreiben und zu ihr ins Krankenhaus zu bringen. Auf Krisen reagierte er eben mit Taten. Aber wenn er nichts tun konnte, war er ebensogut fähig, das Problem auszuklammern, das Unangenehme zu vergessen und sich neuen Aufgaben zuzuwenden. Auch jetzt würde er seiner Familie nicht die Ferien verderben, indem er mit Trauermiene herumlief.
Das Klingeln des Telefons unterbrach seine Gedanken. Er ging in die Küche und nahm den Hörer ab.
»Ross Perot« meldete er sich.
»Ross, hier ist Bill Gayden.«
»Hallo, Bill.« Gayden, ein EDS-Veteran, war der Firma schon 1967 beigetreten. In mancher Hinsicht war er der Inbegriff des erfolgreichen Vertreters: jovial, jedermanns Kumpel, nie einem Witz, einem Drink, einer Zigarettenpause oder einem Pokerspiel abgeneigt. Außerdem war er ein gewiefter Finanzexperte mit einem besonderen Talent für Akquisitionen, Fusionen und Transaktionen, weswegen Perot ihn zum Präsidenten von EDS World ernannt hatte. Gaydens Sinn für Humor war unbezwingbar – selbst in den heikelsten Situationen fiel ihm immer noch etwas Lustiges ein. Jetzt aber klang er ziemlich bedrückt.
»Ross, wir haben Probleme.«
Das war ein geflügeltes Wort bei EDS. Wir haben Probleme hieß soviel wie: Wir stecken ganz schön in der Klemme.
»Es geht um Paul und Bill«, fuhr Gayden fort.
Perot wußte sofort, was damit gemeint war. Die Machenschaften, mit denen man seine beiden ranghöchsten Mitarbeiter im Iran am Verlassen des Landes gehindert hatte, waren mehr als undurchsichtig; die Sache hatte ihn sogar am Krankenbett seiner Mutter beschäftigt.
»Aber sie sollen doch heute ausreisen dürfen.«
»Sie sind verhaftet worden.«
Die Wut manifestierte sich zunächst als kleiner, harter Knoten in Perots Magengrube. »Also, Bill, man hat mir doch versichert, sie dürften den Iran sofort nach ihrem Verhör verlassen. Jetzt erklär mir mal, wie das passieren konnte.«
»Die haben sie einfach ins Gefängnis geworfen.«
»Aufgrund welcher Anklage?«
»Darüber haben sie sich nicht ausgelassen.«
»Und auf welches
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