Auf den Wogen des Glücks
durchzuspielen.
Wie vorauszusehen war, entdeckte ihn die Patrouille sofort, und die wilden Schreie bahnten sich schnell ihren Weg durch die Wüste. Binnen Sekunden verdreifachte sich die Anzahl der Krieger. Sie näherten sich ihm im Galopp. Nicholas blinzelte sich den Schweiß aus den Augen und stieß seinem Pferd kräftig in die Flanken, woraufhin es nach vorn preschte. Er bewunderte insgeheim das Temperament des Hengstes, denn bereits seit Stunden jagte er ihn erbarmungslos durch die heiße Wüste. Und obwohl Nicholas nur eine einzige Wasserpause eingelegt hatte, hatte das Pferd tapfer gegen die Hitze angekämpft. Bis auf sein schweißnasses Fell gab es keine Anzeichen für eine Überanstrengung. Sein Atem ging kräftig und gleichmäßig und seine Schritte waren groß und sicher. Der Hengst nahm seine Aufgabe sehr ernst, fast war es, als wüsste er um die Dramatik der Situation. In Nicholas' Augen konnte sich kein englisches Pferd mit denen des Bey messen. Er hoffte nur, dass Pernots Armee über Pferde verfügte, die aus ähnlich zähem Holz geschnitzt waren. Auch betete er, dass es keinem der Kämpfer aufgefallen war, dass er sich dem Lager nicht aus Norden, wo Tunis lag, genähert hatte, sondern aus der entgegengesetzten Richtung.
Nicholas brachte sein Pferd zum Stehen und streckte die Hände in den Himmel, um sich zu ergeben. Der heiße Wüstenwind blähte sein Hemd auf, das in der nächsten Sekunde aber wieder an seinem verschwitzten Oberkörper zu kleben schien. Es war ganz klar zu erkennen, dass er sich dem Feind unbewaffnet stellte, aber dennoch rechnete Nicholas nicht mit der geistigen Größe seiner Gegner, seine Kapitulation in irgendeiner Weise zu würdigen. Und er sollte Recht behalten, denn als sie ihn ins Lager schleppten, hatte er ein blaues und verquollenes Auge, eine blutige Nase und einen entstellen Kiefer. Außerdem hatten sie versucht, ihm ein paar Rippen zu brechen. Offensichtlich zufrieden mit sich selbst, stapften die Kämpfer auf ein großes Zelt zu, in das sie schnurstracks hineingelaufen wären, hätte der Wachmann vor dem Eingang sie nicht daran gehindert.
Während der Trupp mit der Wache darüber stritt, wer mehr zu sagen hatte, nutzte Nicholas die Zeit, sich das Lager ein wenig näher anzuschauen. Um das gesamte Lager herum hatten sie dünenartige Wälle aus Sand gebaut. Eingebettet in diese Hügel entdeckte ein nahender Reiter das Lager erst, wenn es für eine Flucht längst zu spät war. Ramzis Krieger waren bis an die Zähne bewaffnet, schauten aber müde, erschöpft drein und sahen zudem auch noch unterernährt aus. So viel zu dem Mythos, die Macht des Katzenauges mache eine Armee unbesiegbar.
Nicholas' Blick wurde von einer etwas abseits stehenden Gruppe Beduinen angezogen, die sich um einen auf dem Boden ausgestreckten Mann geschart hatte, der nackt war, und dessen Haut selbst für einen Beduinen kränklich blass aussah. Drei der Krieger waren jetzt dabei, ihn aufzuheben und seine Fuß- und Handgelenke an weit auseinander stehende Pflöcke zu binden, die in den Sand gerammt waren. Dabei beschimpften sie den Gefesselten und versetzten ihm brutale Tritte in die Rippen, bevor sie ihn schließlich wie am Spieß brüllend zurückließen, damit er bei lebendigem Leibe in der Sonne verbrannte.
Nicholas schaute sich den Nackten genauer an und konnte sich des nagenden Gefühls nicht erwehren, ihn von irgendwo her zu kennen. Jedoch konnte er der Sache nicht weiter nachgehen, denn der Zelteingang wurde zur Seite geschlagen und seine Überwältiger zerrten ihn ins Innere, wo ihn eine stickige Halbdunkelheit umfing. Nicholas nahm sofort den starken Opiumgeruch, der die schwüle Luft schwängerte, wahr und musste husten. Er blinzelte, um besser sehen zu können, aber seine Augen brannten und tränten wegen des dichten Qualms. Die Krieger hatten sich schweigend entlang eines roten Teppichs aufgestellt, mit dem das Zelt teilweise ausgelegt war. Versetzte sie das Innere des Zeltes in irgendeiner Art und Weise in Erstaunen, so war es ihnen nicht anzumerken. Mit einem Mal vernahm Nicholas ein Geräusch, das die Stille zerschnitt. Es war ein sanftes, leises Summen - eine Frauenstimme, die durch die von Qualm erfüllte Luft an sein Ohr getragen wurde und die eine Melodie summte, die ihm verdächtig bekannt vorkam. Im ersten Moment vermochte er sie nicht einzuordnen. Es war jedoch nicht die Melodie, die seiner Faszination Flügel verlieh, sein Blut zum Wallen brachte und ihn bis in die Tiefen
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