Auf den Wogen des Glücks
ihr nicht nur körperlich wehgetan, das verriet ihm ihr Blick, der ein tiefes Loch in sein Herz brannte.
Er hatte doch tatsächlich angenommen, er könnte ihr Vertrauen gewinnen, um ihr die Augen zu öffnen und ihr zu zeigen, dass er nicht das war, was man ihm nachsagte, wenngleich er selbst seinen Mythos hatte wachsen und gedeihen lassen. Welch noble Gedanken für einen Mann, der törichterweise geglaubt hatte, er könnte einmal in seinem Leben über seine Herkunft erhaben sein.
»Ich bin ....« Seine Fäuste hatte er gegen seine Oberschenkel gepresst, seinen Blick aus dem Bullauge gerichtet, wo die Welt schrecklich normal aussah. Nicholas verspürte einen dicken Kloß im Hals. »Vergeben Sie mir, Miss Willoughby. So etwas wird sich nicht wiederholen, unter keinen Umständen. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort.«
Mit diesen Worten und von tiefster Reue geplagt ließ er Dominique in der Kajüte zurück.
Einmal ein Bastard, immer ein Bastard. Manche Mythen hielt man lieber am Leben.
12
»Er scheint also nicht nach Gibraltar zu segeln«, bemerkte Dominique, die ihre Augen mit einer Hand bedeckt hielt und durch die hochspritzende Gischt in Richtung Westen zu einem nur undeutlich erkennbaren Landmassiv blickte. Große bauschige Wolken mit silbergrauen Bäuchen schwebten über ihnen, und die Brise, die zunehmend heißer und schwüler geworden war, benetzte von Südost kommend Dominiques sonnenverbrannte Wangen und ihren Nacken mit kühlenden Meerestropfen.
Sie hatte ihr Haar zu einem langen schweren Zopf geflochten, was aber kaum Erleichterung brachte, denn die Sonne brannte bereits seit zwei Tagen rücksichtslos auf sie hernieder. Nun lag endlich Regen in der Luft.
»Nein, Miss«, antwortete Meyer, der hinter ihr stand und ein Tau zusammenrollte. »Nicht Gibraltar.«
Dominique kniff gedankenversunken die Augen zusammen. »Dann auf die Kanarischen Inseln.«
»Richtig, Miss.«
»Sucht er Zuflucht vor dem Schoner, der uns verfolgt, seitdem wir Land's End passiert haben?«
Einen Moment lang passierte nichts. »Ich sehe keinen Schoner hinter uns, Miss.«
Dominique blickte in Richtung Nordost über das einsame Meer hinter ihnen. »Nein, er muss wohl bei Sonnenaufgang zurückgefallen sein.«
»Haben Sie schon mal etwas von Luftspiegelungen gehört? Viele Seemänner sehen Segel, wo gar keine sind.«
Dominique kniff ihren Mund zusammen und erkannte, dass es keinen Sinn machte, mit Meyer zu diskutieren. Sie wechselte die Taktik. »Ist die East Indiaman in der Nähe von Teneriffa gesunken?«
»Ja, nicht weit davon entfernt.«
Dominique hielt kurz inne, denn ihr war eine Idee gekommen. »Der Kapitän hat davon gesprochen, dass es dort Feinde gibt, und dennoch sind alle Segel gehisst, selbst der Klüver. Wir nähern uns den Inseln, als ob es nichts gäbe, was wir zu befürchten hätten, auch keinen aufziehenden Sturm. Aber es ist wohl besser, die Entscheidungen des Kapitäns nicht infrage zu stellen, oder?«
»Ja, Miss.«
Nein, aus Meyer bekam niemand etwas heraus, wenn er es nicht preisgeben wollte. Das war ihr im Laufe der letzten Tage klar geworden. Sie reckte den Hals, um zum straff gespannten Klüversegel über dem Bug zu schauen. »Das Segel scheint zu halten.«
»Sieht aus wie neu, Miss. Letzte Nacht hörte ich, wie Boyle sich in Gegenwart der Mannschaft über die vielen kleinen Stiche beschwert hat, aber ich kann Ihnen sagen, dafür, dass er sein Schwert durch das Segel gerammt hat, war das Nähen eine gütige Strafe.«
Dominique ließ ihren kritischen Blick über das Tauwerk gleiten und wusste instinktiv, dass alles so war, wie es zu sein hatte. »In der Tat eine milde Strafe, wenn man bedenkt, dass seine Alternative die gewesen wäre, von Griggs vermöbelt zu werden. Ich habe den kompletten Nachmittag und Abend damit verbracht, mich um die Wunden der Mannschaft zu kümmern. Sie hatten Glück, dass niemand ums Leben gekommen ist.«
»Es war ja kein bitterer Ernst, Miss. Der Käpt'n hatte angeordnet, dass wir uns mindestens zweimal am Tag mit Dolchen fit halten und üben sollen.«
Unter Deck - sie war ja förmlich gezwungen gewesen, eine Zeit lang dort zu verweilen - klang es eher wie fünf oder sechsmal am Tag. Langeweile gepaart mit Kampflust und einem Waffenlager ließen in der Nähe aus einer Mannschaft erfahrener Matrosen eine Horde schreiender Jungen werden. Beim heftigen Klirren der Klingen, dem lauten Geschrei und den vielen derben Flüchen war Dominique sich wie eine Gefangene an Bord
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