Auf den zweiten Blick
in meinen Armen zusammenbrach und wie ein Kind zu heulen begann. Wenn du mich lieben würdest, sagte sie, würdest du mir das nicht antun. Und weil ich nicht wußte, daß das Gegenteil richtig war, schwor ich, daß ich es nie wieder tun würde. Ich saß am Küchentisch und schaute zu, wie sie eine winzige Flasche Cointreau trank, die sie zum Kochen brauchte. Ihre Hände hörten auf zu zittern, und sie sah mich lächelnd an, als wolle sie sagen: Siehst du? Und zum ersten Mal wurde mir klar, wie ähnlich ich ihr eines Tages sehen würde.
Jetzt lag eine Bourbonflasche im Gras, mitten in einer Whiskeypfütze, die ins flache Ende des Pools mündete. Alex hielt eine zweite Flasche am Hals. Er saß auf der glatten Steinbank, die unter Wasser am Beckenrand verlief, und prostete mir zu, als ich ins Licht trat. »Willst du einen Schluck, chere?« lallte er, und als ich den Kopf schüttelte, lachte er. »Komm schon, pichouette. Du weißt genausogut wie ich, daß dir das im Blut liegt.«
Ich blieb stocksteif vor ihm stehen. »Komm ins Bett, Alex«, sagte ich. Ich hoffte, daß meine Stimme nicht allzusehr bebte.
»Ich glaube nicht«, antwortete er. »Ich muß noch ein bißchen schwimmen.«
Er stand auf, und er war vollkommen nackt. Unter dem blaßblauen Licht der Außenscheinwerfer sah er aus wie ein griechischer Gott. Jeder Muskel an seiner Brust war deutlich ausgeprägt, und Wasser tropfte zwischen seinen Beinen und an seinen Schenkeln herunter. Man hätte glauben können, er sei aus flüssigem Marmor gehauen. Er streckte die Arme zur Seite und drehte die Handflächen nach oben. »Gefällt dir, was du siehst, chere?« rief er. »Allen anderen scheint es zu gefallen.«
Er stieg aus dem Pool und kam auf mich zu. Mir stockte der Atem, als er so dicht vor mir stehenblieb, daß er den Saum meines weißen Morgenmantels benetzte. Er riß mich an seine Brust, schlang einen Arm um meinen Rücken und hielt mit der anderen Hand mein Kinn fest. Er packte meinen Kiefer so fest, daß die Haut spannte und zu brennen begann.
Seine Augen waren schwarz. Ich konnte meinen Mund nicht mehr bewegen, konnte nichts sagen und kaum noch atmen. Er war doppelt so groß wie ich und betrunken, und ich konnte nicht sicher sein, daß er mich wirklich erkannte. Eisige Angst klumpte in meinem Magen zusammen, und in diesem Augenblick spürte ich, wie Alex zu zittern begann.
Es war nicht nur die kühle Nachtluft an seinem nassen Leib; das Zittern schien aus seinem Innersten zu kommen. Es begann unten an seinen Knien, von wo es sich aufwärts zu den Hüften und Armen ausbreitete. Ich wußte, daß er es nicht kontrollieren konnte, weil er plötzlich genauso entsetzt wirkte wie ich. Er sah mich flehend an, als könne ich ihm helfen.
Ohne nachzudenken, schob ich meine Hände zwischen uns, löste meinen Gürtel und zog meinen Bademantel auf. Ich schmiegte mich an Alex, wärmte seine Haut mit meiner und nahm selbstlos seine Kälte in mich auf, bis ich am ganzen Leib bibberte, während Alex ruhiger und wärmer wurde.
Er ließ mein Kinn los, und ich rieb mein Gesicht an seiner Brust, bis das Blut in die Wangen zurückgeflossen war. Als er sich von mir löste, waren seine Augen silbern und wach. Ich seufzte, und die Spannung fiel von mir ab. Dieses Stadium kannte ich.
Alex ließ sich von mir die Bourbonflasche abnehmen und beobachtete wortlos, wie ich sie ins Gras leerte. Er sah gebannt zu, wie der Bourbon im Boden versickerte, als habe er erwartet, daß er mit einem Zischen verdampfen würde. Schließlich nahm er mir die leere Flasche aus der Hand und starrte sie an, als habe er keine Ahnung, woher sie gekommen war.
Es war so leicht, den kleinen Jungen in ihm zu sehen, wenn er sich so schutzlos zeigte. Ich mußte an die Kindheitsfreunde denken, von denen er mir erzählt hatte, Freunde, die er aus Büchern heraufbeschworen und zum Leben erweckt hatte, Freunde, die ihn auf Abenteuer entführten und vergessen ließen, wo er war. Ich sah ihn vor mir, wie er die Langustenfallen leerte, weil sein Vater zu betrunken dazu war, wie er zur Beerdigung seines Onkels ein viel zu kleines weißes Hemd trug, nur weil seine Mutter zu faul gewesen war, ihm ein neues zu kaufen. Sanft zog ich ihn auf den grüngestreiften Liegestuhl, auf dem wir nachmittags gesessen hatten, und kämmte ihm die nassen Haarstacheln aus den Augen. Er beugte sich vor, als habe er sich unbewußt nach dieser Geste gesehnt, die Jahre zu spät kam.
»Weißt du, daß ich nie ein normales Leben geführt
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