Auf den zweiten Blick
reagierte, glaubte ich einen Moment lang, die Verbindung sei unterbrochen und ich hätte das vor lauter Reden nicht gemerkt. »Alex?«
»Ich bin noch da.« Die Resignation und Unbewegtheit in seiner Stimme ließen mich stutzen. Vielleicht machte er sich Sorgen, daß wir dadurch noch öfter getrennt sein würden. Vielleicht glaubte er, meine Karriere würde mir tatsächlich wichtiger werden als er. Was vollkommen lächerlich war; gerade Alex hätte das wissen müssen. Für mich war beides gleich wichtig. Ich brauchte beides; ich konnte weder ohne das eine noch ohne das andere leben.
Viel zu spät fiel mir Antonius und Cleopatra ein. Der Film schien unter einem schlechten Stern zu stehen. Zwar hatte man Brianne Nolan durch eine andere Schauspielerin ersetzt, aber vergangenen Sonntag hatte Alex erwähnt, daß der Regisseur nach einer Auseinandersetzung mit dem Chefkameramann im Streit gegangen sei. Ich schloß die Augen und preßte den Hörer fester ans Ohr. Wie konnte ich nur so dumm und unsensibel sein! Ich schluckte und versuchte, so fröhlich wie möglich zu klingen. »Ich plappere und plappere und habe dich noch nicht mal nach deinem Film gefragt.«
Tiefes Schweigen antwortete mir. »Es ist schon ziemlich spät«, sagte Alex. »Ich mache jetzt lieber Schluß.«
Nachdem er aufgelegt hatte, lauschte ich in den stummen Hörer, bis die tansanische Vermittlung sich wieder einschaltete und mit ihrer musikalischen Stimme fragte, ob ich noch ein Gespräch anmelden wolle. Dann fuhr ich zurück ins Lager, ging in eines der Arbeitszelte und drehte die Lampe auf, bis der Tisch in weiches, gelbes Licht getaucht war. Mit bleiernen Händen betastete ich die dünnen Knochensplitter, die mein Leben von Grund auf ändern würden. Ich legte sie vor mir aus, diese eine Hälfte der Hand, die wir ausgegraben hatten, und versuchte, mir nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, warum Alex mir nicht einmal zu meinem Fund gratuliert hatte.
Drei Tage später hatte ich Telegramme von Archibald Custer sowie von zwei Museen erhalten, die sich für unseren Fund interessierten, aber von meinem Mann hatte ich noch nichts gehört. Die Hand lag in ihrer ganzen Pracht, registriert und für die Nachwelt katalogisiert, auf einem Bett aus grobem, schwarzem Baumwollstoff. Wir hatten die obligatorischen Fotos gemacht, damit wir etwas zum Verschicken hatten, bevor die Knochen selbst in aller Welt ausgestellt wurden. Ich stand am Tisch, hatte die Hände aufgestützt und spürte den Schweiß zwischen meinen Schulterblättern herunterrinnen. Wally, ein Student, dessen Abschlußarbeit ich betreute, packte gerade die Leica und die Linsen wieder ein. »Also, was meinen Sie, Professor Barrett?« fragte er grinsend. »Wird man am Flughafen über uns herfallen?«
Wir würden Tansania erst in zwei Wochen verlassen, und natürlich meinte Wally das ironisch, denn die anthropologische Gemeinde war viel zu klein, um es zu mehr als zu einem gelegentlichen Artikel im Wall Street Journal zu bringen. Ohne daß ich es wollte, fiel mir meine erste Landung mit Alex in L. A. ein. Ich malte mir aus, wie die Medien einen ähnlichen Zirkus um eine staubige, müde Wissenschaftlerin mit einer Kiste voller Knochen veranstalteten. »Irgendwie«, antwortete ich, »kann ich mir das kaum vorstellen.«
Wally stand auf und wischte sich die rote Erde von den Shorts. »Ich bringe Susie die Kamera zurück, bevor sie wieder einen Anfall kriegt«, sagte er und ging zum Zelteingang. Er schlug die Klappen halb zurück und ließ sie dann wieder fallen, als habe er draußen ein Trugbild gesehen, dem er lieber nicht gegenübertreten wollte. Er blinzelte und zog die Leinwand noch einmal zur Seite.
Mitten im Lager stand ein Lieferwagen, und Koji, einer unserer einheimischen Führer, hob immer neue Schachteln von der Ladefläche, auf denen der Stempel des Les Deux Magots prangte, des berühmten Pariser Restaurants. Meine paar Helfer standen um ihn herum und schauten ehrfürchtig zu, wie Kisten mit Hummer und frischem Obst und Käserädern zu Boden gelassen wurden. So etwas hatte ich erst einmal gesehen. Wally trat in die Sonne und gab mir den Blick frei. »Es gibt also doch einen Gott«, murmelte er.
»>Gott< ist vielleicht ein bißchen übertrieben«, sagte eine Stimme. »Ich würde mich auch mit >Heiliger< begnügen.«
Ich wirbelte herum. Alex stand ein paar Schritte hinter mir; offenbar war er durch den Hintereingang ins Zelt gekommen. Seine Hände bewegten sich rastlos in der Luft, und ich
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