Auf den zweiten Blick
essen gehen«, wandte Cassie ein.
»Ich will mir erst Appetit machen«, flüsterte Alex. Seine Zungenspitze umkreiste eine Brustwarze. »Ich wachse noch.«
Er hatte diese Macht über sie, konnte ein Fieber in ihr anfachen, bis ihr das Blut in den Adern schmerzte. Cassie schob die Hand zwischen ihre Leiber und führte ihn in sich ein. Sie zerkratzte ihm die Schultern, so fest klammerte sie sich an ihn. Irgendwann wurden die beschlagenen Spiegel wieder klar, und über Alex’ gesenkten Kopf hinweg sah sie ihre Körper dreifach gespiegelt: eine Chimäre mit verschlungenen Armen und Beinen, wogend und voller Kraft. Ihr Gesicht war erhitzt, das Haar klebte ihr am Hals. Sie streckte eine Hand nach ihrem Spiegelbild aus. Mein Gott, dachte sie. Bin das ich?
Eine Stunde später waren sie im Le Dome, auf dem Weg zu einem ruhigen Tisch ganz hinten, vorbei an Händen, die es zu schütteln galt, Hallo-Rufen und Einladungen zum Essen. Für einen Donnerstagabend war das Restaurant ziemlich voll. Cassie stand nervös neben Alex, ihre Hand fest in seiner vergraben, während er über die Teller anderer Leute hinweg Verabredungen traf. Sie hörte zu, wie er sich mit einem Studioboß unterhielt, und erst nach mehreren Minuten ging ihr auf, daß Alex über das Wetter in Schottland redete, während sein Gegenüber sich über die Vorteile des Gewerkschaftssystems ausließ. In Hollywood redete man nicht miteinander, sondern aneinander vorbei. Unwillkürlich mußte Cassie an Dreijährige denken, denen man noch nicht beigebracht hatte, wie man teilt.
Während Alex Wein bestellte, schirmte sich Cassie mit ihrer Speisekarte ab. Sie wußte längst, was sie nehmen würde, aber sie blieb lieber im verborgenen. Es kam ihr so vor, als sitze an jedem Tisch entweder ein Star, der versuchte, unerhört gelangweilt auszusehen, oder ein gewöhnlicher Sterblicher, der sich den Hals verrenkte, damit ihm auf keinen Fall entging, was Alex Rivers zu Abend aß.
Alex zog die Speisekarte mit einem Finger herunter. Er lächelte sie an. »Deshalb«, sagte er, »gehen wir so selten aus.«
Sie hatten eben auf Lancelot angestoßen, als eine Frau an ihren Tisch gesegelt kam und Alex’ Namen seufzte. Mit angehaltenem Atem beugte sich Cassie vor. Sie hatte Ophelia für schön gehalten, aber auf den Anblick dieser Frau war sie ganz gewiß nicht gefaßt. Sie trug ein bodenlanges, hochgeschlossenes und vollkommen schwarzes enges Kleid, das ihre Arme bis zum Handgelenk umschmiegte. Aufdringlich warf sie sich Alex an den Hals. Das Kleid war fast bis zur Hüfte geschlitzt, und Cassie bemerkte, daß die Frau keine Unterwäsche, sondern nur Seidenstrümpfe trug. »Wo«, rief sie überschwenglich, »hast du dich denn so lange versteckt?«
»Miranda«, antwortete Alex, während er sich die Frau halb vom Schoß schob, »du kennst meine Frau, nicht wahr? Cassie, Miranda Adams.«
Miranda Adams beugte sich herunter, nah genug, daß Cassie die Alkoholwolke riechen konnte, die von der anderen ausging. Als sie sich wieder aufrichtete, stellte Cassie fassungslos fest, daß sie durch das Kleid hindurchsehen konnte. Mirandas Brustwarzen waren dunkel und fast dreieckig, und über ihrer linken Brust waren ein paar Muttermale oder vielleicht eine Tätowierung in Form des Sternbildes Orion zu sehen.
Wahrscheinlich hatten Alex und Miranda irgendwann miteinander gearbeitet, obwohl das kaum vorstellbar war. In den wenigen Filmen mit Miranda Adams, an die Cassie sich erinnern konnte, hatte sie ein unschuldiges, frisch-fröhliches Mädel gespielt.
»Wir essen gerade«, bemerkte Alex spitz, und Miranda zog eine Schnute. Sie küßte ihn auf den Mund und hinterließ einen knallroten Lippenstiftring, den Alex wegwischte, noch ehe sie sich wieder aufgerichtet hatte.
Cassie überlegte, ob Alex vielleicht deswegen mit ihr geschlafen hatte, bevor sie ins Le Dome gegangen waren, weil er mit derartigen Szenen gerechnet hatte. Er hatte sie gewollt, natürlich, aber ihr kam es so vor, als habe er ihr zugleich zeigen wollen, daß er ihr gehörte, was auch immer geschehen mochte. Noch jetzt spürte sie die Wärme auf der Haut, wo Alex’ Hände sie berührt hatten. »War es nicht sie, die nackt in deinem Wohnwagen gesessen hat?« fragte Cassie.
Alex blieb der Mund offenstehen. »Woher weißt du das?«
Sie war sich nicht sicher, aber sie meinte, am Trancas Market die Schlagzeile eines Boulevardblattes gelesen zu haben: ENGEL AUF DER SUCHE NACH HÖLLENSPASS. Sie lächelte, vor allem, um Alex zu
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