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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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nachzudenken, daß sie gar nicht bemerkte, wie sich ein Mann an ihren Tisch setzte. Er sah gut aus, wenn auch längst nicht so umwerfend wie Alex, und war ein bißchen kleiner und leichter gebaut. Cassie lächelte schüchtern. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    Der Mann beugte sich vor, packte ihre Hand und flüsterte auf ihren Handrücken: »Darauf habe ich den ganzen Abend gewartet.« Erschrocken zog Cassie die Hand zurück.
    »Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht an Ihren Namen erinnern.« Cassie saß stocksteif auf ihrem Stuhl und schaute hastig nach links, ob Alex schon zurückkam. Sie wollte, daß dieser Mann verschwand, ehe Alex wieder auftauchte. Sie wollte ihn selbst loswerden.
    »Ich bin zutiefst erschüttert. Nicholas. Nick LaRue.« Er hatte einen eigenartigen Akzent, den sie nicht einordnen konnte und der weder nach mittlerem Westen noch nach Ostküste klang.
    Cassie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Also Nick. Leider wollen Alex und ich gerade gehen. Aber ich werde ihm natürlich sagen, daß Sie vorbeigeschaut haben.«
    Er ergriff ihr Handgelenk und preßte es auf die Tischplatte, so daß sie Aufmerksamkeit erregen würde, wenn sie versuchte, die Hand noch einmal wegzuziehen. »Wer sagt denn, daß ich Alex sehen wollte?« fragte er.
    »Nimm deine Dreckspfoten von meiner Frau.« Alex stand hinter ihr, und Cassie schloß die Augen. Instinktiv ließ sie sich in die Wärme sinken, die er ausstrahlte. Schlagartig setzte sie sich wieder auf. Nick LaRue. Er spielte mit Alex in diesem neuen Film, TABU. Im Film waren sie Freunde, Partner bei einem Juwelenraub. Aber sie konnte sich daran erinnern, wie Alex von den Dreharbeiten nach Hause gekommen war: Wie ein Panther war er durchs Haus geschlichen und hatte Zorn um sich herum verbreitet. »Er meint, sein Wohnwagen solle näher am Tonstudio stehen.« – »Er will, daß sein Name im Vorspann vor meinem erscheint.« Und was hatte sie getan? Sie hatte Alex jeden Abend einen Drink eingeschenkt, ihm versprochen, daß er in zehn Wochen oder acht Wochen oder sechs nie wieder mit Nick LaRue zusammenarbeiten müsse, und dann hatte sie ihm sich selbst geschenkt, um ihn vergessen zu lassen.
    Alex hatte sein Sakko ausgezogen, und kurz darauf spürte Cassie es über ihrem Schoß, wärmer als seine Haut. Nick stand ihm gegenüber, und in seinen Augen sah Cassie Alex’ Spiegelbild - in zweifacher Ausführung und wutentbrannt. Einer nach dem anderen verließen die übrigen Gäste den Gastraum, und tatsächlich, als der letzte gegangen war, machten die beiden Männer einen Schritt aufeinander zu.
    Vorne im Le Dome rief Louis die Polizei. Er würde sich ganz bestimmt nicht persönlich einmischen; auch wenn er ein gutes Stück größer und dreißig Pfund schwerer gewesen wäre, hätte er nicht Partei ergreifen wollen. Alex Rivers und Nick LaRue waren beide ausgezeichnete Kunden.
    Cassie sank an die Wand zurück. Sie glaubte nicht, daß je zuvor ein Mann um sie gekämpft hatte, und sie wußte nicht, ob sie sich geschmeichelt oder angeekelt fühlen sollte. Sie sah, wie Alex’ Faust vorschoß, schloß die Augen und wartete auf das unverkennbare Geräusch von Knochen, die auf Knochen trafen.
    Will fuhr gern auf dem Sunset Boulevard Streife. Er und sein Partner – ein Latino namens Ramon Perez, und die Ironie dabei entging ihm nicht – fuhren stundenlang auf dem Sunset auf und ab und warteten auf einen Einsatz. Ab und zu gab es eine Drogenrazzia oder Verkehrsprobleme an einer Baustelle, hin und wieder einen Raubüberfall, aber meistens starrte Will nur aus dem Fenster und wartete darauf, daß etwas passierte. Gestern war er in Cassies Kirche gegangen und hatte eine Kerze für sie angezündet. Er hatte sich in eine Bank ganz hinten gesetzt und flüsternd ein einseitiges Gespräch mit ihrem Gott geführt, das sich vor allem darum drehte, daß es ihr hoffentlich gutging.
    »Hey, Crazy«, sagte Ramon. »Scheiße, wach auf.«
    Ramon konnte es nicht lassen, ihn Crazy Horse zu nennen, was Will nicht lustig fand und was er sich schon ein paarmal vergeblich verbeten hatte. »Ich hab’ nicht geschlafen«, sagte Will.
    »Ach ja? Dann verrat mir mal, wohin wir gerade gerufen worden sind.« Will schaute wieder aus dem Fenster.
    »Ins Le Dome«, sagte Ramon. »In das gottverdammte Le Dome. Eine Prügelei zwischen zwei scheißberühmten Filmstars.«
    Will setzte sich auf und zog sich die Schirmmütze tief in die Stirn, während ihn Ramon in die inoffiziellen Verhaltensregeln bei

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