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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zeigen, daß es ihr nichts ausmachte.
    »Ja«, bestätigte er, »sie war in meinem Wohnwagen, nackt. Aber meine Assistentin Jennifer hat sie dort entdeckt, nicht ich.« Er beugte sich über den Tisch und küßte Cassie leicht auf den Mund, und im selben Moment wurden beide von einem grellen Kamerablitz geblendet.
    »Verdammt noch mal«, murmelte Alex. Die Hände krallten sich in das jungfräuliche Tischtuch. Cassie mußte an die zerbrochene Kachel ihres Eßzimmertisches denken, an das Blut, das über seine Hand gelaufen war; und plötzlich merkte sie, daß sie inständig hoffte, er würde sitzen bleiben und keine Szene machen. Alex schob seinen Stuhl zurück.
    Er hielt in der Bewegung inne, als Louis, der Maitre, auf den Tisch zuging, an dem das Foto gemacht worden war, und den Gast am Kragen aus dem Stuhl zog. Cassie kannte den Mann nicht, aber natürlich hatte das nichts zu heißen. Der Mann hatte noch einen halbvollen Teller vor sich; an seinem Stuhl hing eine Kameratasche. Louis schleifte ihn in Richtung Tür und kam kurz darauf an Alex’ Tisch. »Ich bitte um Entschuldigung, Mr. Rivers«, sagte er mit einer Verbeugung. Er holte eine Filmrolle aus der Tasche, zog sie in eine lange, glänzende Spirale und ließ sie auf dem Tisch liegen. »Eine kleine Vorspeise, mit den Empfehlungen unseres Hauses.«
    Sie aß die Hälfte von Alex’ Lammkoteletts, und er aß die Hälfte von ihrer Krabbe. Die übrige Zeit wurden sie kaum gestört, abgesehen von Gabriel McPhee und Ann Hill Swinton, einem der wenigen glücklich verheirateten Schauspielerpaare, die auf dem Weg hinaus an ihrem Tisch stehenblieben. Gabriel trug ihr kleines Mädchen auf dem Arm und verlagerte immer wieder ihr Gewicht, während er mit Alex redete. Die beiden unterhielten sich ein paar Minuten, dann begann die Kleine zu schreien und zu strampeln, und die anderen Gäste fingen an, herüberzuschauen.
    Als sie weg waren, schüttelte Alex den Kopf, als müsse er sich erst wieder an die Stille gewöhnen. Er nahm einen Löffel und studierte sein verzerrtes, kopfstehendes Spiegelbild.
    »Wir haben keine Kinder«, stellte Cassie fest.
    Alex sah sie an. »Hast du geglaubt, ich würde sie vor dir verstecken?«
    Cassie lachte. »Ich habe mir einfach Gedanken gemacht. Ich meine, wir sind seit über drei Jahren verheiratet und, ich weiß nicht, ich bin schon dreißig -«
    »O mein Gott«, fiel ihr Alex ins Wort. »Du hast nicht nur dein Gedächtnis verloren, dir ist auch die biologische Uhr kaputtgegangen.« Er grinste sie an. »Vielleicht kriegen wir ja noch Kinder, später mal, aber in drei Jahren lernt man sich einfach nicht so gut kennen. Außerdem verschwindest du jeden Sommer einen Monat lang nach Afrika, und das könntest du wohl kaum mit einem Kind. Wir haben beschlossen zu warten, bis unser Leben ein bißchen ruhiger geworden ist.«
    Cassie lag die Frage auf der Zunge, warum sie sich drei Häuser, aber kein Kindermädchen leisten konnten. Sie wollte ihn fragen, was denn wäre, wenn… Ophelia fiel ihr ein, und ihr zynisches Grinsen an diesem Morgen: Du meinst, er hat beschlossen.
    Sie seufzte auf und wollte sich schon auf eine Auseinandersetzung einlassen, doch Alex’ Miene hielt sie davon ab. Sein Kiefer war angespannt, und sein Teint unnatürlich bleich. »Du hast doch die Pille genommen, oder? Ich meine, ich habe vollkommen vergessen, dir zu zeigen, wo sie liegt.«
    Cassie konnte unmöglich wissen, daß er an seinen Vater dachte, an dieses verdammte Planwagenmodell und daran, daß er sich geschworen hatte, nie Kinder zu bekommen, weil er niemals wie Andrew Riveaux werden wollte. Trotzdem griff sie, als würde sie seinen Schmerz spüren, über den Tisch nach seiner Hand. »Natürlich«, sagte sie, obwohl sie keine Anti-Baby-Pillen gesehen hatte, seit er sie nach Hause gebracht hatte. »Wir haben es doch beschlossen.«
    Alex atmete tief auf. »Gott sei Dank«, sagte er. Er schob den Stuhl zurück und streckte die Beine aus. »Ich muß mal verschwinden. Ich glaube nicht, daß dich jemand belästigt, während ich weg bin.«
    Cassie verdrehte die Augen. »Ich kann auf mich aufpassen.«
    Alex war aufgestanden. »Klar. Als ich dich das letzte Mal aus den Augen gelassen habe, durfte ich dich auf dem Polizeirevier abholen.« Er marschierte zwischen den Tischen zur Toilette, verfolgt von neugierigen Blicken. Cassie nahm seine geschmeidigen Bewegungen und das Selbstvertrauen wahr, das ihn wie ein Schatten umhüllte.
    Sie war so damit beschäftigt, über Alex

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