Auf den zweiten Blick
die eigene Seele blickte, wenn man in sie schaute, und sei es auf einem Werbefoto.
Wahrscheinlich war es nicht gerade eine Strafe, ihn jeden Tag sehen zu müssen.
Die Stille überraschte mich. Keine Kamera surrte, niemand wedelte hektisch mit den Armen und schrie »Action«, niemand probte seinen Text. Feiner roter Staub überzog die technische Ausrüstung, als sei sie in letzter Zeit nicht benutzt worden. Kein Wunder, daß man zwölf Wochen brauchte, um einen Zweistundenfilm zu drehen.
Der Set war, soweit ich das sehen konnte, in drei Abschnitte unterteilt. Im ersten befand sich eine echte Ausgrabungsstätte in der Olduvai-Schlucht, die nicht viel anders aussah als das Uni-Gelände eine halbe Meile weiter. Im zweiten Abschnitt standen ein paar Zelte, und vor einem wartete eine Schauspielerin, die ich schon mal gesehen hatte, deren Name mir aber entfallen war. Sie trug Khakishorts und eine Kalahari-Buschjacke, und ich beschloß, daß mein erster wissenschaftlicher Rat an den Kostümbildner gehen würde - ich würde ihm erklären, daß die National Geographie-Ausstattung längst nicht so realistisch war wie ein bequemes altes T-Shirt.
Die dritte Kulisse war auf einer erhöhten Plattform aufgebaut und sollte das Innere eines Zeltes darstellen. Es gab ein Feldbett und eine Ansammlung kunstvoll aufgestapelter leerer Kartons, einen niedrigen Tisch auf Holzböcken. Auf einem Regal standen eine Schale und ein Krug aus gemustertem Porzellan, und ich mußte laut lachen. Porzellan?
Nach ein paar Minuten setzte sich ein Mädchen neben mich. »Scheiße, ist das heiß«, sagte sie. Sie lächelte – das erste echte Lächeln, das ich hier sah. »Mit wem bist du hier?«
»Allein«, antwortete ich überrascht. Die Frage klang, als hätte ich jemand mitbringen sollen. »Ich bin Anthropologin und als wissenschaftliche Beraterin hier.«
»Wow«, hauchte das Mädchen. »Heißt das, du lebst davon?«
Ich lächelte sie an. »Müßte es nicht eigentlich andersrum sein? Du weißt schon – sollte nicht ich beeindruckt sein, weil du beim Film bist?«
»Ach, ich bin nicht wirklich beim Film«, antwortete sie. »Ich bin Janets Assistentin.« Sie zeigte auf die Frau in der Kalahari-Jacke, die in einem Drehbuch blätterte. »Ich heiße LeAnne.«
Ich stellte mich vor, gab ihr die Hand und deutete dann auf die Leute um uns herum. »Wieso arbeitet keiner?« fragte ich.
LeAnne lachte und stand auf. »Das ist immer so«, antwortete sie. »Entweder herrscht totale Panik, oder es passiert überhaupt nichts. Komm, ich wette, du weißt nicht, wo die Oase ist.«
Als sie losging, folgte ich ihr. In einem langen, niedrigen Zelt war ein Festmahl aufgebaut. Mein Blick wanderte langsam von einem Ende des Tisches zum anderen, über schwitzende Karaffen voller Mangosaft und Limonade, Berge von Bananen und Kiwis, kleine Sandwich-Häppchen mit Hühnersalat und etwas, das wie Eierscheiben aussah, Schüsseln mit Krautsalat und Sesamnudeln. »Ist das das Mittagessen?« fragte ich.
LeAnne schüttelte den Kopf. »Mr. Rivers hat es gern, wenn er weiß, daß er zwischen zwei Einstellungen was essen kann. Er arrangiert das alles, das heißt, eigentlich arrangiert es Jennifer. Sie macht für ihn, was ich für Janet mache. Wenn du das schon für was Besonderes hältst, dann warte bis zum Mittagessen. Gestern gab es Grönlandkrabben. Ist das zu fassen? Grönlandkrabben, in Afrika.«
Ich nahm mir zaghaft eine Banane, schälte sie und trat wieder aus dem Zelt in die heiße Sonne. Ich legte den Kopf zurück und schirmte meine Augen mit der Hand ab. »Was ist das eigentlich für ein Film?«
LeAnne war fassungslos, daß mir niemand erzählt hatte, worum es in dem Film ging. Es war eine Art Science-fiction; Alex Rivers spielte einen Anthropologen, der Skeletteile entdeckt, die auf den ersten Blick aussehen, als seien sie älter als jeder bisherige Fund. Aber als er an den Knochen eine Radiokarbondatierung vornehmen läßt, stellt sich heraus, daß sie aus den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts stammen. Dann findet et heraus, daß die chemische Zusammensetzung der Knochen nicht ganz der unseren entspricht, selbst wenn es sich um ein uraltes Skelett gehandelt hätte. Schließlich kommt raus, daß es sich um einen Außerirdischen handeln muß, und das wirft natürlich einige Fragen über den Ursprung der Menschheit auf.
Ich nickte höflich, als LeAnne fertig war. Nicht unbedingt meine Art von Film, aber die Kinokarten würden sich bestimmt gut verkaufen.
Ich
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