Auf den zweiten Blick
Brustimplantate und ließ ihren Namen ändern; und während ich an meinem Magister zu arbeiten begann, stürzte sie sich in die Aufgabe, ein Apartment zu finden, das nah genug an den Studios für sie und nah genug an der Uni für mich war. Es war klein, aber billig, und dort wohnten wir nun seit fast sieben Jahren.
»Sie können jetzt sprechen«, sagte die Vermittlung.
»Ophelia?«
Ich hörte, wie sie tief aufatmete. »Gott sei Dank rufst du an«, begrüßte sie mich, als sei ich nur einen Kilometer entfernt. »Ich krieg die Krise.«
Ich grinste. »Die hast du doch immer«, bemerkte ich. »Was gibt’s diesmal für Probleme?«
»Ich hab’ doch um vier Uhr einen Termin bei meinem Therapeuten.« Ophelia ging zu ihm, um ihr Selbstbewußtsein zu stärken, seit sie beschlossen hatte, daß die Sitzungen bei dem Hypnotiseur sie nicht weiterbrachten. »Zur Zeit sehe ich ihn zweimal die Woche, und ich möchte das wirklich auf einmal wöchentlich zurückschrauben, aber ich weiß nicht, wie ich ihm das beibringen soll.«
Ich wollte nicht lachen, wirklich nicht, es rutschte mir einfach so heraus. Ich überspielte es mit einem Husten.
»Vielleicht schwänze ich einfach«, seufzte sie. »Ich sage es ihm am Donnerstag.« Sie schwieg einen Augenblick, dann schien ihr wieder einzufallen, wo ich war. »Wie ist es in Afrika?« fragte sie pflichtschuldig.
Ophelia begriff nicht, was ich an der Anthropologie fand - für sie war es bloß ein wissenschaftlicher Vorwand, sich schmutzig zu machen -, aber sie wußte, wieviel mir mein Beruf bedeutete. »Viel interessanter, als ich erwartet habe«, antwortete ich. »Ich arbeite ein bißchen schwarz.«
»Als Safari-Guide?«
»Als wissenschaftliche Beraterin für Alex Rivers’ neuen Film.«
Ich hörte im Hintergrund etwas klirren. »Omeingottomeingottomeingott«, ratterte Ophelia. »Wie ist das denn passiert?«
Sowie ich Ophelia die ganze Geschichte erzählt hatte, kamen mir wieder Zweifel. »Wahrscheinlich werde ich es bereuen«, meinte ich. »Wenn ich nicht so viel dafür kriegen würde – und die Uni damit reinlegen könnte -, würde ich es bestimmt nicht machen.« Ich verzog das Gesicht. »Ich wette, er will sich nicht mal die Hände schmutzig machen.« Ich atmete langsam aus und grübelte darüber nach, was für Folgen diese überstürzte Entscheidung wohl haben würde. Ich konnte Custer nicht leiden, aber an der Universität konnte ich ihm aus dem Weg gehen. Alex Rivers würde ich auch nicht leiden können, aber ich hatte mich verpflichtet, ihm zehn Stunden am Tag wie ein Schatten zu folgen.
»Ich schick’ dir Kleider«, verkündete Ophelia. »Mein schwarzes Abendkleid und den rosa Satin-BH und –«
»Ophelia«, fiel ich ihr ins Wort, »ich werde seine wissenschaftliche Beraterin, nicht seine Geliebte.«
»Trotzdem«, widersprach Ophelia. »Man kann nie wissen. Hol das verdammte Päckchen einfach von der Post ab, dann kannst du es in deine Tasche stopfen und vergessen.« Sie atmete nervös ein. »Das ist doch nicht zu fassen. Ich hab’ gewußt, daß ich Anthropologie hätte studieren sollen.« Sie konnte vor Aufregung kaum sprechen. »Mein Gott, Cass!« rief sie aus. »Alex Rivers!«
Ich lächelte. Wenn ich mit dem BH auch nur auf zwanzig Meter an Alex Rivers herankam, würde Ophelia ihn wahrscheinlich rahmen lassen, sobald ich wieder daheim war. »Er ist doch auch nur ein Mensch«, wandte ich ein.
»Klar. Ein Mensch, der vier Millionen pro Film verdient und der in den nächtlichen Phantasien jeder amerikanischen Frau die Hauptrolle spielt.«
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen: Alex Rivers spielte keine Rolle in meinen Träumen, aber die rankten sich auch eher darum, daß ich im Dreck wühlte und Männer ausbuddelte, die vor Millionen von Jahren gelebt hatten. Ich versuchte, mir ins Gedächtnis zu rufen, welche seiner Filme ich gesehen hatte. Ich mußte mit Ophelia hineingegangen sein, weil sie eigentlich die einzige war, mit der ich meine Freizeit verbrachte, und sie schleppte mich meistens in die neuesten Kinohits. Vage erinnerte ich mich an Desperado, einen Western, der in die Kinos gekommen war, als wir noch ins College gingen, und an Licht und Schatten, einen der vielen Filme über junge Männer im Vietnamkrieg, die 1987 herausgekommen waren. Dann waren da noch ein paar Actionfilme, deren Titel mir entfallen waren, und schließlich sein neuester Film, den ich vor sechs Monaten gesehen hatte, eine Liebesgeschichte. Wilder Apfel. Den hatte ich vollkommen
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